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Vom IAO-Seminar ins Gefängnis! Der Kampf für menschenwürdige Arbeit im indonesischen Palmölsektor wird kriminalisiert

An die IUL Web-Site geschickt am 20-Jan-2006

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Vom 29.-31. August 2005 nahm Robin Kimbi, der Vorsitzende der Gewerkschaft KAHUTINDO PT Musim Mas in Medan, Nord-Sumatra, an einem IAO-Seminar über "Menschenwürdige Arbeit in der Landwirtschaft für Plantagenarbeitnehmer in Indonesien" teil. Nur zwei Wochen später wurden Kimbi und vier weitere Gewerkschaftsfunktionäre während eines Streiks auf der Plantage und in der Raffinerie PT Musim Mas verhaftet. (Einen Monat später wurde ein sechster Gewerkschaftsfunktionär aufgrund ähnlicher Anklagen verhaftet.)

Seit vier Monaten werden Kimbi und die anderen fünf Gewerkschafter im Gefängnis Bangkinang gefangen gehalten, weil sie der Verletzung des Artikels 170 des indonesischen Strafgesetzbuches in Gestalt "offener Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen" angeklagt werden. Eine solche Anklage diente unter der Suharto-Diktatur häufig dazu, Demonstrationen und Streiks zu unterdrücken. Sollten sie verurteilt werden, drohen den sechs Gewerkschaftsfunktionären bis zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis.

Während die sechs Gewerkschafter im Gefängnis Bangkinang einsaßen, entließ die Unternehmensleitung von PT Musim Mas mit stillschweigender Zustimmung der Lokalbehörden 701 Gewerkschaftsmitglieder und setzte bewaffnete Polizisten und Soldaten ein, um sie und mehr als 1000 ihrer Angehörigen aus ihren Unterkünften aufs dem Plantagengelände zu vertreiben.

Kimbis Weg ins Gefängnis begann mit der Gründung einer neuen Gewerkschaft auf der Plantage und in der Raffinerie PT Musim Mas in Pelalawan, Provinz Riau am 13. Oktober 2004 und der Anmeldung dieser Gewerkschaft beim Arbeitsministerium am 9. Dezember 2004. Die Zahl der Mitglieder stieg rasch von 150 auf 1 183, bei insgesamt 2000 Arbeitnehmern in dem Unternehmen, darunter 300 Vertragsarbeitnehmer. Die Forderung der Gewerkschaft war von Beginn an klar: Die Arbeitsbedingungen bei PT Musim Mas lagen unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestniveau, und das Unternehmen beutete die prekären Beschäftigungsbedingungen der Vertragsarbeitnehmer aus.

Im Februar 2005 trug die Gewerkschaft KAHUTINDO PT Musim Mas diese Anliegen der lokalen Behörde des Arbeitsministeriums und der Unternehmensleitung von PT Musim Mas vor. Als einzige Reaktion erfolgte zwei Wochen später, am 19. Februar, die Entlassung von Kimbi. Lokale Behörden unterstützten Kimbis Entlassung durch PT Musim Mas, die sodann am 28. Juli vom Zentralausschuss für die Beilegung von Arbeitskonflikten (P4P) für die Provinz Riau genehmigt wurde.

Einen Monat später nahm Kimbi als Vertreter seiner 1 183 Mitglieder an einem IAO-Seminar teil und erfuhr dabei von den Ergebnissen einer Untersuchung der IAO über Plantagenarbeitnehmer in Indonesien, worin "die derzeitige beklagenswerte Situation in Bezug auf menschenwürdige Arbeitsnormen" beschrieben wurde. Dieses Seminar hatte unter anderem die folgenden Ziele:


Das IAO-Seminar befasste sich insbesondere mit der Unterlassung der Arbeitgeber, Arbeitnehmerrechte in Übereinstimmung mit dem Gesetz einzuhalten. Die Gewerkschaft KAHUTINDO PT Musim Mas war sich dieser Tatsache wohl bewusst, hatte sie doch das Arbeitsministerium und die Unternehmensleitung von PT Musim Mas bereits seit sechs Monaten auf dieses Problem hingewiesen. Im Arbeitsauftrag des IAO-Seminars hieß es:

Rechtsvorschriften über Beschäftigungsnormen erreichen nur eine Minderheit der Plantagenarbeiter in Indonesien. Die Umsetzung dieser Normen entsprechend dem Gesetz setzt aufgeklärte Arbeitnehmer voraus, die sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sind, sowie eine wirksame Gewerkschaftsbewegung zur Überwachung dieser Umsetzung. Fehlen diese, haben viele Arbeitgeber die Möglichkeit, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu umgehen.

Genau diese Umgehung gesetzlicher Verpflichtungen durch PT Musim Mas zwang die Gewerkschaft KAHUNTINDO PT Musim Mas, ständig - von Februar bis September 2005 - zu fordern, dass PT Musim Mas die Rechte der Arbeitnehmer, wie vom Gesetz vorgeschrieben, einhält und verwirklicht. Aber die Unternehmensleitung lehnte es nicht nur ab, offene und faire Verhandlungen mit der Gewerkschaft zur Lösung dieser Probleme aufzunehmen, sondern unternahm auch den Versuch, ihre eigene Gewerkschaft unter dem Namen "Serikat Pekerja PT Musim Mas (SPMM)" zu gründen, und produzierte falsche Mitgliedskarten, auch für Mitglieder der Gewerkschaft KAHUTINDO PT Musim Mas. Daraufhin gaben Gewerkschaftsmitglieder unverzüglich schriftliche Erklärungen ab, worin sie die SPMM als unechte Gewerkschaft anprangerten und bestritten, Mitglieder der SPMM zu sein.

Als das Drängen auf Verhandlungen über die Forderungen der Gewerkschaft zur ungerechtfertigten Entlassung von vier Gewerkschaftsfunktionären, darunter Kimbi, und der erzwungenen Amtsniederlegung von fünf weiteren Gewerkschaftsfunktionären führte, schritt die Gewerkschaft im April zu Streikmaßnahmen und erneut im August, genau drei Wochen vor dem IAO-Seminar in Medan. Aber ungeachtet der ständigen Forderungen und der Streikmaßnahmen der Gewerkschaft lehnte es die Unternehmensleitung von PT Musim Mas nach wie vor ab, Verhandlungen aufzunehmen.

Die unterlassene Umsetzung gesetzlicher Mindestnormen bei PT Musim Mas sowie die Verletzung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten - darunter die ungerechtfertigte Entlassung von Kimbi - waren schlagende Beispiele für das von der IAO geschilderte "Defizit an menschenwürdiger Arbeit". Tatsächlich zeigte alles, was Kimbi an dem IAO-Seminar lernte, dass seine Gewerkschaft jedes Recht hat, ihre Forderungen zu stellen, und es war nur noch deutlicher geworden, dass dringende Maßnahmen getroffen werden müssten, um das "Defizit an menschenwürdiger Arbeit" bei PT Musim Mas zu beheben.

Am 8. September 2005 formulierte die Gewerkschaft ihre Forderungen gegenüber der Unternehmensleitung und kündigte an, streiken zu wollen. Die Unternehmensleitung lehnte Verhandlungen mit der Gewerkschaft weiterhin ab und tat sich vielmehr mit Lokalbehörden zusammen, um Vorkehrungen dafür zu treffen, an Stelle der Gewerkschaftsmitglieder neue Arbeitnehmer zu rekrutieren. Am Morgen des ersten Streiktags am 13. September brachten Lastwagen mehr als 100 Ersatzkräfte auf die Plantage und in die Raffinerie, womit die Entschlossenheit der Unternehmensleitung, die Gewerkschaft zu zerschlagen, eindrücklich demonstriert wurde. Am 14. September fuhr ein Lastwagen des Unternehmens in die Kette der Streikposten und verletzte zwei Gewerkschaftsmitglieder, die in Krankenhaus gebracht werden mussten. Erzürnt und tief frustriert über diese aggressive Reaktion der Unternehmensleitung und das offene Zusammenwirken von PT Musim Mas und einigen Lokalbehörden handelten Dutzende von Gewerkschaftsmitgliedern spontan und rissen das Fabriktor nieder, um damit gegen die Weigerung der Unternehmensleitung zu protestieren, die Forderungen der Gewerkschaft auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Diese Beschädigung von Firmeneigentum war für die Polizei ein Grund, den Streik zu unterdrücken und die Gewerkschaft zu zerschlagen. Sie verhaftete sechs Gewerkchaftsfunktionäre und klagte sie nach Artikel 170 des indonesischen Strafgesetzbuches an.

Nach viermonatiger Inhaftierung und angesichts drohender Gefängnisstrafen von fünfeinhalb Jahren im Falle einer Verurteilung bedeutet die Notlage dieser sechs Gewerkschafter eine eindeutige Botschaft für alle Arbeitnehmer auf den Palmölplantagen Indonesiens: Die Gewerkschaftsarbeit, die zur Überwindung des "Defizits an menschenwürdiger Arbeit" und zur Verwirklichung von "menschenwürdiger Arbeit" in der Landwirtschaft unerlässlich ist, wird eindeutig kriminalisiert.