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Belarus: Unterdrückungsmaßnahmen werden verschärft

An die IUL Web-Site geschickt am 20-Apr-2006

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In Belarus werden derzeit hunderte Menschen frei gelassen, die aus Protest gegen die Wiederwahl Aleksander Lukaschenkos am 19. März auf die Straße gegangen sind. Für sie sind die vielen Tage der Demütigung vorbei, ein Ende der Angst vor Verfolgung und Verhaftung ist jedoch nicht absehbar.

Der letzte Diktator Europas sicherte sich auf fragwürdige Weise ein beispielloses Wahlergebnis von 82,6% der Stimmen und erreichte in manchen Provinzen des Landes sogar über 90%. Tausende Menschen, die den Wahlkampf der unabhängigen Kandidaten unterstützt und mit friedlichen Mitteln gegen den „Erdrutschsieg“ Lukaschenkos protestiert hatten, wurden von der „Spetsnaz“, einer Sondereinheit der Armee, von den Straßen geprügelt oder zu Geldstrafen verurteilt. Laut Berichten von Menschenrechtsvertretern sind an die 500 Menschen verhaftet worden, darunter Journalisten, Ausländer und Diplomaten. Die gegen sie angestrengten Prozesse glichen einer Verhöhnung jedes ordentlichen Rechtsverfahrens.

Valentin Lazarenkov, der Vorsitzende der Regionalorganisation von Brest des freien Gewerkschaftsbunds von Belarus (BFTU), verbrachte sieben Tage im Gefängnis. Er und zwei andere Gewerkschaftsmitglieder wurden in der Nähe des BFTU-Büros wegen „ordnungswidrigen Verhaltens“ festgenommen – sie sollen einen Betrunkenen beleidigt haben. Als es am 20. März zum Prozess kam, fand dieser unter Ausschluss der Angehörigen, Kollegen und Journalisten statt. Der Hauptzeuge war nicht erschienen, noch fand sich später in den Prozessakten eine Aussage dieses Zeugen. Vor Gericht sagten lediglich zwei Polizisten aus. Lazarenkov ist überzeugt, dass seine Verhaftung von staatlicher Hand geplant und als Provokation gedacht war. Dieser Verdacht wird auch insofern bestätigt, als das Büro der Gewerkschaft eine Woche vor den Verhaftungen täglich von der Polizei aufgesucht wurde. Der Gewerkschafter fürchtet nun, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Vassily Levchenkov, der Vorsitzende der unabhängigen Metallarbeitergewerkschaft, befand sich sieben Tage lang in Haft. Ihm wurde vorgeworfen, in der Stadt Orsha ein nicht genehmigtes Treffen mit Aleksander Milinkevich, dem Präsidentschaftskandidaten der Opposition, organisiert zu haben. Das Treffen fand am 24. Februar statt; Levchenkov wurde am 14. März beim Verlassen seiner Wohnung verhaftet und in Handschellen abgeführt. Noch am selben Abend und unter strengster Geheimhaltung erfuhr Levchenkov vom Urteil der Geschworenen. Seinen Freunden, die gekommen waren, um ihn zu unterstützen, wurde mitgeteilt, die Verhandlung würde erst am nächsten Tag stattfinden. Währenddessen wurde das Gewerkschaftsbüro von der Polizei versiegelt.

Sergey Lipnitsky, ein unabhängiger Gewerkschaftsaktivist und leitender Sekretär der Gewerkschaft in der Stickstofffabrik von Grodno Azot, wurde am 19. März, dem Tag der Wahl, verhaftet, als er sich mit Freunden auf dem Weg nach Minsk befand. Er verbrachte drei Tage im Gefängnis. Zwei Tage lang wussten weder seine Angehörigen noch seine Kollegen, wo er sich aufhielt.

Ivan Roman, ein Journalist und Aktivist der Belarus Gewerkschaft der radioelektronischen Industrie, wurde zwei Mal verhaftet. Die erste Verhaftung fand am Vorabend der Wahl, am 18. März, in Minsk statt und dauerte bis zum frühen Morgen des 20. März, wobei keiner seiner Angehörigen und Kollegen seinen Aufenthaltsort in Erfahrung bringen konnte. Erst nach seiner Freilassung wurde bekannt, dass er zwei Tage lang im Untersuchungsgefängnis von Lida festgehalten wurde. Roman erzählte, dass auf einer Polizeiwache von Minsk ein Unbekannter in Zivil auf ihn zugetreten sei, ihm eine Pistole an den Kopf gehalten und ihm mitgeteilt habe, dass er als führender Gewerkschafter beschuldigt werde, ein Terrorist zu sein. Sollte er einen Fluchtversuch wagen, so die Warnung, würde er das nicht überleben. Das Gericht klagte Roman schließlich an, sich obszön geäußert zu haben, und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe. Am 23. März wurde er neuerlich verhaftet; diesmal verbrachte er wegen Verstoßes gegen Artikel 156 (ordnungswidriges Verhalten) des Verwaltungsstrafrechts13 Tage im Gefängnis. Nie zuvor war die Anklage wegen „ordnungswidrigen Verhaltens“ so populär gewesen wie während und nach der Präsidentschaftswahl und löste neben ähnlich absurden Beschuldigungen eine Verhaftungswelle aus, von der hunderte Menschen betroffen waren.

Der Belarus Gewerkschaftsbund (FBP) bewies hingegen erneut, dass er seit seiner Übernahme durch Lukaschenko im Jahr 2002 (Hintergrund) zu einem festen Bestandteil des Staatsapparates geworden ist. Auf seiner Website brüstet sich der FBP damit, dass rund 4.500 „Aktivisten“ der Gewerkschaft zur Speerspitze des Wahlkampfs von Lukaschenko gehört hätten. Von den insgesamt 2 Millionen Unterschriften für eine Kandidatur Lukaschenkos hatte der FBP angeblich 1,3 Millionen Unterschriften gesammelt. Laut Website des FBP saßen 341 FBP-Leute in den territorialen Wahlausschüssen und in den Bezirksausschüssen seien noch einmal 4.355 vertreten gewesen. Unter den insgesamt 17.000 Mitgliedern der Wahlausschüsse befand sich nur ein Vertreter der demokratischen Kräfte.

Die Präsidentschaftswahl 2006 war von beispielloser Repression gekennzeichnet, die die unabhängige Gewerkschaftsbewegung in voller Wucht traf. Derzeit finden die ersten Strafverfahren wegen Teilnahme an Protestaktionen statt.