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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit


Aromastoff Diacetyl im Zusammenhang mit t�dlicher Lungenkrankheit

An die IUL Web-Site geschickt am 30-Nov-2007

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Am 7. November hat die IUL eine Pressemitteilung ver�ffentlicht, in der staatliche Regulierungsstellen in aller Welt aufgefordert wurden, dringende Ma�nahmen zu treffen, um die Verwendung des chemischen Aromastoffs Diacetyl zu �berwachen. Es gibt Beweise f�r einen Zusammenhang zwischen Diacetyl und dem Auftreten der l�hmenden Lungenkrankheit Bronchiolitis obliterans bei Arbeitnehmern in der Lebensmittelverarbeitung, die Diacetyl ausgesetzt sind.

Die vorliegenden IUL-Hinweise f�hren die Beweise f�r den Zusammenhang zwischen Diacetyl und Bronchiolitis obliterans an und umfassen abschlie�end einen Aufruf zu notwendigen Ma�nahmen. Zudem f�hrt die IUL eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durch, mit der der Gebrauch von Diacetyl am Arbeitsplatz der Mitglieder erfasst werden soll.

Was ist Diacetyl?

Diacetyl ist ein chemischer Stoff mit der Molekularstruktur C4H6O2, der nach der standardisierten Nomenklatur der Internationalen Union f�r reine und angewandte Chemie (IUPAC) als Butandion oder 2,3-Butandion bezeichnet wird. Diacetyl entsteht auf nat�rliche Weise als Ergebnis bestimmter G�rungsprozesse und findet sich deshalb in einigen Bier- und Weinsorten sowie Milcherzeugnissen.

Gesundheitsprobleme verursacht aber nicht so sehr das nat�rlich vorkommende Diacetyl, sondern seine Verwendung als synthetischer Aromastoff. Synthetisch hergestelltes Diacetyl wird seit Jahrzehnten als Lebensmittelaroma verwendet, aber so gut wie nie ausgewiesen. Allein oder in Verbindung mit anderen chemischen Zusatzstoffen dient es der Erzeugung eines k�nstlichen Butteraromas und wird auf dem jeweiligen Etikett allenfalls als 'k�nstlicher Aromastoff' oder 'k�nstliches Butteraroma' ausgewiesen. Arbeitnehmer kommen mit Diacetyl im allgemeinen in Form einer gelblichen Fl�ssigkeit in Kontakt, die Mischungen beigegeben wird, wobei jedoch die Gefahr des Einatmens seiner D�mpfe nicht nur auf Mischungsvorg�nge beschr�nkt ist (siehe weiter unten).

In welchen Erzeugnissen findet sich Diacetyl?

Synthetisch hergestelltes Diacetyl findet sich in einer Vielzahl von Aromastoffen, die bei der Herstellung von Tiefk�hl- und Snackprodukten (darunter Mikrowellenpopcorn, Kartoffelchips und Maisflocken), S��- und Backwaren, Milcherzeugnissen wie Schmelzk�se, Sauerrahm und H�ttenk�se, gewerblichen Backmischungen, Glasuren, Salatdressings, So�en, Marinaden und anderen Lebensmittelerzeugnissen und Getr�nken Verwendung finden.


Diacetyl und die 'Popcornarbeiterlunge'

Es gibt zunehmende Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der l�hmenden Lungenkrankheit bronchiolitis obliterans, die heute in den USA allgemein als 'Popcornarbeiterlunge' bezeichnet wird. Diese Krankheit kann rasch die Bronchiolen, die kleinsten �ste einer Bronchie, zerst�ren, was eine drastische Verminderung der Atmungsf�higkeit zur Folge hat. Die Krankheit schw�cht, verl�uft progressiv, l�sst sich nicht behandeln und kann zum Tod f�hren. Der einzige Ausweg ist eine Lungentransplantation. Lebensmittelarbeiter k�nnen bei Produktionsprozessen Diacetyl in Form von D�mpfen, Tr�pfchen oder Staub ausgesetzt sein.

Die Beweise

W�hrend Diacetyl in den letzten Jahren als ernste Arbeitsgefahr bei der Herstellung von Mikrowellenpopcorn mit Butteraroma erkannt wurde, wo sein Konzentrationsgrad im Vergleich zu anderen Verfahren besonders hoch ist, hat das Nationale Arbeitsschutzinstitut der USA (NIOSH) bereits 1985 einen m�glichen Zusammenhang mit der potenziell t�dlichen Lungenkrankheit Bronchiolitis obliterans vermutet. Bei Arbeitnehmern im Mischraum einer Firma, die Zusatz- und Aromastoffe an B�ckereien lieferte, trat kurze Zeit nach Beginn ihrer T�tigkeit eine "heimt�ckische" obstruktive Lungenerkrankung auf (siehe die entsprechende Studie unter http://www.defendingscience.org/case_studies/upload/NIOSH_1985_Intl_Bakers.pdf).

Eine Untersuchung des deutschen Chemieunternehmens BASF aus dem Jahr 1993, in deren Verlauf Laborratten Diacetyld�mpfe einatmen mussten, ergab, dass die Tiere ab einem bestimmten Expositionsgrad bereits nach vier Stunden tot waren. Die betreffende Studie wurde damals nicht ver�ffentlicht, ihre Ergebnisse finden sich aber unter http://www.defendingscience.org/case_studies/upload/BASF-Study.pdf.

Das NIOSH gelangte bei einer 2006 durchgef�hrten Untersuchung zu mehr oder weniger �hnlichen Ergebnissen.

Im Jahr 2000 untersuchte das NIOSH (http://www.cdc.gov/niosh/) eine Gruppe von 135 Arbeitnehmern in einem Mikropopcornbetrieb und stellte dabei fest, dass "die Arbeitnehmer im Vergleich zum Landesdurchschnitt 2,6 mal so h�ufig wie erwartet unter chronischem Husten und Atemnot und 2 mal so h�ufig wie erwartet an �rztlich diagnostiziertem Asthma und chronischer Bronchitis litten. Insgesamt waren die F�lle von Atemwegsverengungen 3,3 mal so h�ufig wie erwartet, bei den Arbeitnehmern, die nie geraucht hatten, sogar 10,8 mal so h�ufig. Unmittelbar mit der Herstellung von Mikrowellenpopcorn befasste Arbeitnehmer wiesen deutlich h�here Raten von Atemnot bei Belastung und Hautproblemen auf, die seit Aufnahme ihrer T�tigkeit aufgetreten waren, als Arbeitnehmer in anderen Teilen des Betriebs. Es bestand ein deutlicher Zusammenhang zwischen der gesch�tzten kumulativen Diacetylexposition und der H�ufigkeit und dem Grad der Atemwegsverengungen.

"Schlussfolgerungen: Die �berdurchschnittlich h�heren Raten an Lungenerkrankungen und Lungenfunktionsst�rungen sowie das Verh�ltnis zwischen einer Exposition und den Folgen bei diesen Arbeitnehmern deuten darauf hin, dass sie wahrscheinlich an berufsbedingter Bronchiolitis obliterans litten, die durch das Einatmen gasf�rmiger Butteraromastoffe verursacht wurden." (Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine ver�ffentlicht und k�nnen hier eingesehen werden:
http://defendingscience.org/case_studies/upload/Kreiss-et-al-Study.pdf). Vier Arbeitnehmer des Popcornbetriebs, in dem die Untersuchung durchgef�hrt wurde, wurden in die Liste der Empf�nger von Lungentransplantaten aufgenommen.

Bei weiteren Untersuchungen in den USA wurde eine starke H�ufigkeit berufsbedingter Lungenerkrankungen bei Arbeitnehmern festgestellt, die bei Mischungs- und Verpackungsvorg�ngen D�mpfen k�nstlicher Butteraromen (einschlie�lich Diacetyl) ausgesetzt waren. Die Untersuchungen haben auch in Versuchsanlagen f�r Qualit�tskontrollzwecke h�here Konzentrationsgrade von Diacetyl in der Atemluft ergeben.

Mit der Ausweitung der Untersuchungen sind immer mehr Opfer von Bronchiolitis obliterans bei Aromastoffherstellern ermittelt worden, darunter auch ein Arbeitnehmer in einem Betrieb, der Aromastoffe f�r Hundefutter herstellt. Seit 2006 hat die Kalifornische Arbeitsschutzbeh�rde (Cal/OSHA http://www.dir.ca.gov/dosh/dosh1.html) acht Arbeitnehmer in Aromastoffbetrieben mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, meistens mit Bronchiolitis obliterans, ermittelt. Weitere 22 weisen unterdurchschnittliche Lungenkapazit�ten auf, was auf den Beginn der Krankheit hindeuten k�nnte.

Neue Forschungsarbeiten haben ferner Diacetyl als den konkreten Bestandteil von Butteraromen ermittelt, der Bronchiolitis obliterans verursacht, und gleichzeitig Arbeitsschutzexperten auf andere potenziell gef�hrliche k�nstliche Zusatzstoffe aufmerksam gemacht. Die Ergebnisse einer j�ngsten holl�ndischen Untersuchung (http://ajrccm.atsjournals.org/cgi/content/abstract/176/5/498?etoc) von Arbeitnehmern in einem (ungenannten) chemischen Betrieb, der Diacetyl herstellt, lauteten, dass "die Einwirkung eines Stoffes w�hrend der Diacetylherstellung f�r das Auftreten des Bronchiolitis obliterans Syndroms bei Chemiearbeitern verantwortlich zu sein scheint, was der vermuteten Rolle von Diacetyl in der Lebensmittelverarbeitung entspr�che".

Im Zuge der in Kalifornien laufenden Untersuchung �ber Diacetyl wurden mindestens 30 Betriebe ermittelt, die Diacetyl als Zusatzstoff verarbeiten. Es gibt jedoch weder eine landesweite Datenbank noch eine ersch�pfende Liste der Lebensmittelhersteller und ihrer Markenerzeugnisse, die Diacetyl verwenden. Der Europ�ische Verband der Essenzen- und Riechstoffhersteller (EFFA) hat es vor kurzem abgelehnt, der IUL die Namen oder Standorte einzelner Hersteller, die Diacetyl verwenden, oder die Markenprodukte, die Diacetyl enthalten, zu nennen.

Weil Diacetyl nie unter dem Gesichtspunkt seiner Einwirkung auf Arbeitnehmer untersucht wurde und weil speziell f�r Diacetyl geltende Etikettierungs-, Anwendungs- und Umgangsvorschriften fehlen, gibt es kein Gesamtbild der diacetylbedingten Lungenerkrankungen. Bekannt ist jedoch, dass Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten mehr als 150 Rechtsverfahren gegen Hersteller angestrengt haben, die Diacetyl verwenden, und dass Forscher immer neue F�lle von Bronchiolitis obliterans entdecken, die auf eine Diacetylexposition zur�ckzuf�hren sind.

Diagnostizierung der Symptome

Die Symptome von Bronchiolitis obliterans werden h�ufig f�lschlicherweise als Symptome von Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) - beispielsweise Bronchitis oder Lungenemphysem - gedeutet. Da es f�r den Ausbruch der Krankheit h�ufig keine Symptome gibt und die Krankheit sich extrem rasch entwickelt, ist es von gr��ter Wichtigkeit, dass Arbeitnehmer, die in irgendeinem Umfang Diacetyl ausgesetzt sein k�nnten, eingehend �rztlich untersucht und regelm��ig medizinisch �berwacht werden. Die Symptome einer potenziellen Bronchiolitis obliterans sind u.a. Keuchen, Atemnot und Husten, meistens trockener Husten. Diacetyl kann auch Reizungen (und sogar chemische Verbrennungen) der Augen und der Haut verursachen.

Gewerkschaften und Diacetyl am Arbeitsplatz

Die Tatsache, dass drei gro�e amerikanische Mikrowellenpopcornhersteller auf Diacetyl als Zusatzstoff verzichtet haben, l�sst darauf schlie�en, dass es bereits sicherere Ersatzstoffe gibt. Die IUL schl�gt daher ein sofortiges Verbot von Diacetyl als Aromastoff in Lebensmitteln vor, bis sichere Expositionsgrenzwerte - sofern es solche gibt - zuverl�ssig festgelegt werden k�nnen. Diacetyl sollte nicht verwendet werden, wenn sicherere Alternativen zur Verf�gung stehen.

Die Konzentration in der Atemluft muss �berwacht und potenziell gef�hrdete Arbeitnehmer m�ssen regelm��ig untersucht werden. Dabei sind alle Phasen, von der Rohstoffanlieferung �ber alle Verarbeitungsstufen bis zur Verpackung, zu erfassen. Die Ergebnisse von �rztlichen Reihenuntersuchungen und Pr�fungen der Arbeitsaufsicht sollten Gewerkschaftsvertretern, soweit erforderlich streng vertraulich, zur Verf�gung gestellt werden.

Als vorl�ufige Sicherheitsma�nahmen m�ssen Gewerkschaften fordern, dass bei allen Fertigungsverfahren ausschlie�lich mit geschlossenen Beh�ltern und Ger�ten gearbeitet wird, keine offenen Diacetylbeh�lter verwendet werden, alle Arbeitsbereiche mit Hilfe von Abzugsventilationsanlagen (statt durch Druckluft) vollst�ndig bel�ftet werden und zugelassene Atemger�te Anwendung finden. Unerl�sslich ist ferner ein vollst�ndiger Haut- und Augenschutz.

Dabei muss jedoch betont werden, dass keine pers�nliche Schutzausr�stung als angemessen betrachtet werden kann, solange auf der Grundlage strenger Arbeitsgefahrenanalysen und weiterer medizinischer Forschungsergebnisse festgelegte Expositionsnormen fehlen.

Was ihr tun k�nnt

Die IUL fordert alle Gewerkschaften, die Arbeitnehmer in der Lebensmittelverarbeitung vertreten, auf: