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Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit


Nestlé Russland teilt Arbeitnehmern mit: 'Wir verhandeln keine Löhne!' und fragt sie 'Haben Sie Vertrauen in Präsident Putin?'

An die IUL Web-Site geschickt am 14-Feb-2008

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Die Unternehmensleitung der Schokoladefabrik von Nestlé Russland in Perm erhöht systematisch den Druck auf die der IUL angeschlossenen Gewerkschaft der Nestlé-Arbeitnehmer von Perm, die sich seit letztem August darum bemüht, eine Lohnerhöhung im Rahmen der Kollektivverhandlungen zu verhandeln. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer hat durch die ungezügelte Inflation bei den wichtigsten Bedarfsartikeln einen dramatischen Einbruch erlitten, wobei es unter den Beschäftigten des Betriebs inzwischen weitverbreitete Praxis ist, Blut gegen Geld zu spenden, um ihr Einkommen aufzustocken.

Die Unternehmensleitung und das Nestlé Russland Humanressourcen-Management haben die Forderung der Gewerkschaft nach Lohnverhandlungen wiederholt mit der Behauptung zurückgewiesen, es sei Konzernpolitik, die Löhne aus jeder Form von Kollektivverhandlung auszuschließen. Während die Gewerkschaft ihre Forderung aufrechterhielt, verordnete die Unternehmensleitung Mitte November einseitig eine Lohnerhöhung von 15%, die mit 1. Januar in Kraft treten sollte – mit diesem Schritt sollte die Weigerung des Unternehmens, Kollektivverhandlungen zu führen, unterstrichen und zugleich jede Unterstützung für die Gewerkschaft geschwächt werden. Ungeachtet dessen stimmte eine Anfang Dezember einberufene Arbeitnehmerkonferenz mit großer Mehrheit für die Forderungen der Gewerkschaft.

Nestlé wurde wegen seiner Weigerung, auf die Forderung der Gewerkschaft nach Lohnverhandlungen einzugehen, schließlich auf dem Rechtsweg vor einen Schlichtungsausschuss gezwungen, in dem es jedoch keinerlei Kompromissbereitschaft für eine Lösung des Konflikts zeigte. Die feindselige Haltung gegenüber Verhandlungen wird auch dadurch unterstrichen, dass sich die Unternehmensleitung beständig weigert, die von der Gewerkschaft geforderten Informationen über die Lohnstufen herauszugeben, bzw. nicht einmal über die Anzahl der Arbeitnehmer in jeder Lohnkategorie informiert!

Am 21. Dezember wurde der Druck auf die Gewerkschaft verstärkt, als dem Gewerkschaftsbüro und der Vorsitzenden der Zugriff auf das E-Mail- und Intranetsystem des Unternehmens gesperrt wurde – als Vergeltung (laut Nestlé als "Disziplinarmaßnahme") dafür, dass die Mitglieder per E-Mail von einer geplanten Demonstration informiert wurden. Nach der erfolgreichen Demonstration am 25. Dezember wurden die Arbeitnehmer mit Kündigung und Produktionsverlagerung bedroht, sollten sie die Forderung der Gewerkschaft nach Verhandlungen in Treu und Glauben weiterhin unterstützen.

Am 23. Januar wurde der Druck auf die Gewerkschaft und ihre Mitglieder noch einmal verstärkt, als die Unternehmensleitung einen "Soziologischen Fragebogen" verteilte, in dem die Mitarbeiter des Betriebs über ihre politischen Ansichten, ihre Bereitschaft zur Teilnahme an Protestaktionen und ihr Vertrauen in Gewerkschaften, politische Parteien und Institutionen befragt wurden. In dem Fragebogen finden sich Fragen wie "Haben Sie Vertrauen in Präsident Putin?", "Für welche Partei stimmten Sie bei den letzten Wahlen?", "Vertrauen oder misstrauen Sie Gewerkschaften?" und "Welche ist die bedeutendste Errungenschaft Wladimir Putins als Präsident der Russischen Föderation in der letzten Legislaturperiode?" Die Verteilung des Fragebogens wurde nach Protesten der Gewerkschaft und der IUL eingestellt, Nestlé hat jedoch bislang keine Erklärung für diesen äußerst bedenklichen Zwischenfall abgegeben.

Die Lage ist aufgrund der Verweigerung echter Kollektivverhandlungen durch das Unternehmen nach wie vor festgefahren. Das daraus resultierende Scheitern der Schlichtungskommission, das am 7. Februar in Form eines "Protokolls der Nichteinigung" offiziell bestätigt wurde, bedeutet, dass dem Stillstand nun ein langwieriges bürokratisches Verfahren folgen wird und dass Nestlé seine Verpflichtung als Arbeitgeber, mit der Gewerkschaft konstruktive Kollektivverhandlungen aufzunehmen, weiterhin verweigern und seine gewerkschaftsfeindliche Kampagne fortsetzen kann.

Am 11. Februar hat die IUL eine offizielle Eingabe zu den Nestlé-Praktiken beim nationalen Kontaktbüro der OECD in der Schweiz gemacht, wo sich das Mutterhaus des Konzerns befindet. Die OECD-Richtlinien, deren Bestimmungen und Umsetzungsverfahren von allen OECD-Ländern und anderen Regierungen unterzeichnet wurden, geben klare Normen vor, die das Verhältnis zwischen ausländischen Direktinvestitionen durch multinationale Unternehmen und dem sozialen, politischen und menschenrechtlichen Kontext, in dem sie tätig sind, regeln. Die von Nestlé in Perm verfolgten Praktiken stehen in eklatantem Widerspruch zu den Bestimmungen der Richtlinien hinsichtlich der Menschenrechte und Arbeitsnormen, und dem muss Einhalt geboten werden.

Für die IUL-Eingabe (im englischen Original) hier klicken.