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Nespressionen leben mit Massenentlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern in Indonesien und mit Angriffen und Provokationen gegen Gewerkschaftsführer in Pakistan wieder auf

26.10.11 Urgent Action
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Bei Nestlé, dem größten Lebensmittelunternehmen der Welt, üben Firmenleitungen weiterhin Druck auf Arbeitnehmer/innen und ihre Gewerkschaften aus


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Die Firmenleitung der Nescafé-Fabrik in Panjang hat 53 der 87 Mitglieder unseres Mitgliedsverbandes SBNIP entlassen (indem sie ihnen formell "Kündigungsschreiben" aushändigte!), nachdem die Gewerkschaft zur Unterstützung ihrer Tarifverhandlungsforderungen zu Kampfmaßnahmen gegriffen hatte. Der entsprechende Streik war das vorhersehbare Ergebnis einer seit fünf Jahren anhaltenden tiefen Frustration.

Am 31. März dieses Jahres unterzeichneten die SBNIP und die lokale Firmenleitung eine Vereinbarung (für welche die IUL und die Nestlé-Konzernleitung am 28 März den Boden bereitet hatten), die schließlich der Gewerkschaft die Möglichkeit eröffnete, Verhandlungen über den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen in Panjang aufzunehmen, darunter auch Lohnverhandlungen, die die Nestlé-Firmenleitung seit Jahren hartnäckig abgelehnt hatte.

Die Verhandlungen erwiesen sich als schwierig und stockten, als die Gewerkschaft Zweifel in Bezug auf das gewaltige Gefälle der vorgeschlagenen Lohntarife innerhalb der zahlreichen individuellen Tätigkeitsgruppen äußerte, ein Gefälle, das nach Ansicht der Gewerkschaft in keiner Weise den staatlichen Vorschriften entsprach. Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen meldete die Gewerkschaft entsprechend den gesetzlichen Vorschriften einen Streik an, und die Mitglieder der SBNIP - und damit die Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer/innen in der Fabrik - stellten am 21. September die Arbeit ein und besetzten friedlich den Betrieb, um zu verhindern, dass fertige Waren die Fabrik verließen.

Das Unternehmen reagierte, indem es den Streik für ungesetzlich erklärte und die Arbeitnehmer/innen anwies, die Arbeit wiederaufzunehmen. Während des Streiks erhielten die Arbeitnehmer/innen telefonische Anrufe und zwei Briefe - und zwar Briefe der Firma, bei denen es sich, wie Nestlé heute behauptet, um gesetzliche Vorladungen handelte.

Als die Spannungen zunahmen, verließen Arbeitnehmer/innen am 26. September das Fabrikgelände und besetzten kurzfristig den Fußballplatz (auf dem Betriebsgelände) und verließen sodann als Zeichen ihrer Gutwilligkeit die Fabrik, da für den folgenden Tag Verhandlungen angesetzt worden waren.

Während jedoch am folgenden Tag die Gewerkschaften eine Wiederaufnahme der Arbeit bis zur Erreichung eines Verhandlungsergebnisses verkündete, erschien die Nestlé-Firmenleitung nicht zu dem angesetzten Treffen.

Aufgrund dieser Provokation wurde der Streik am 28. September wiederaufgenommen, und die Gewerkschaft beantragte eine Verlängerung des Arbeitskampfes für den Fall, dass dies erforderlich werden sollte.

Der Streik fand in den Medien ein breites Echo, so dass eine Delegation des Provinzparlaments am 3. Oktober nach Panjang kam und um ein Treffen mit Gewerkschaftsmitgliedern in der Fabrik bat. Diese Anfrage wurde von der Nestlé-Firmenleitung abgelehnt.

Am Morgen des 5. Oktober rief die lokale Arbeitsbehörde die SBNIP und die Nestlé-Firmenleitung zu Vermittlungen, doch die Firmenleitung entsandte nur Vertreter der mittleren Führungsebene, die nicht ermächtigt waren, Entscheidungen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zu treffen. Die Gewerkschaft hatte die Vermittlung als Gelegenheit angesehen, deutlich zu machen, dass sie keine Vereinbarung unterzeichnen könne, deren Bestimmungen mit den staatlichen Empfehlungen unvereinbar und damit möglicherweise ungesetzlich seien. Im Verlauf dieser Vermittlung stimmte die Gewerkschaft zu, den Streik um 13 Uhr am gleichen Tag zu beenden, und ein entsprechendes Memorandum wurde von der Arbeitsbehörde vorbereitet und beglaubigt und sodann vom Gewerkschaftsvorsitzenden Eko Sumaryono und einem Vertreter der Nestlé-Firmenleitung unterzeichnet. Bezeichnend ist, dass die Erwähnung des Streiks vom 21. September bis zum 5. Oktober in diesem Dokument nicht den Zusatz "ungesetzlich" umfasst.

Gemäß der Vereinbarung endete der Streik um 13 Uhr, und in zwei Telefongesprächen zwischen der Gewerkschaft und der Nestlé-Firmenleitung um 18.27 Uhr und 19.52 Uhr wurde vereinbart, am nächsten Vormittag des 6. Oktober zusammenzutreffen, um die Tarifvereinbarung endgültig zu unterzeichnen. Aber bereits um 20 Uhr am 5. Oktober begann die Nestlé-Firmenleitung damit, Gewerkschaftsmitglieder massenhaft zu entlassen.

Nachdem der Streik wie vereinbart am 5. Oktober beendet worden war, trafen Gewerkschaftsmitglieder um 14 Uhr zu ihrer zweiten Schicht ein und beendeten diese Schicht, obwohl die Firmenleitung die Maschinen nicht wieder anwarf. Als Gewerkschaftsmitglieder um 22 Uhr zur dritten Schicht eintrafen, sahen sie sich an den Fabriktoren einer Ketten von Sicherheitskräften und Bereitschaftspolizisten innerhalb des Fabrikgeländes gegenüber. Die Sicherheitskräfte riefen die Namen der Gewerkschaftsmitglieder auf, händigten ihnen einzeln "Kündigungs"schreiben aus und schickten sie wieder nach Hause. Die gleichen Schreiben wurden ihnen ebenfalls nach Hause geschickt. Am 6. Oktober wurden Dutzende Kündigungsschreiben ausgestellt.

Die brutale Reaktion Nestlés erfolgte, nachdem der Konflikt unter der Aufsicht der Arbeitsbehörde beigelegt und der Streik in Übereinstimmung mit dem vom Unternehmen und der Gewerkschaft unterzeichneten amtlichen Memorandum beendet worden war. Noch unglaublicher ist die Tatsache, dass die Nestlé-Firmenleitung auch noch nach der Zustimmung der Gewerkschaft zur Tarifvereinbarung ihre Massenentlassungen fortsetzte. Diese äußerst böswillige Verhaltensweise des Unternehmens beweist, dass das Unternehmen entschlossen war, die Gewerkschaft zu vernichten, selbst nachdem der Konflikt beigelegt worden war. Es ging nicht mehr um den Streik - sondern es war dies der Schlusspunkt der seit fünf Jahren andauernden Versuche der Firmenleitung von Nestlé Panjang, eine Gewerkschaft zu vernichten, die es gewagt hatte, ihre Kollektivverhandlungsrechte auszuüben. (Siehe: Was Nestlé zu verschleiern versuchen wird: die Wahrheit über den Streik in Panjang.)

Um zu zeigen, dass sie diese erzwungene Massen"kündigung" ablehnten, und ihre Entschlossenheit zu bekunden, wiedereingestellt zu werden, kassierten die unrechtmäßig entlassenen Gewerkschaftsmitglieder die am 5. Oktober automatisch auf ihre Bankkonten überwiesenen Trennungsentschädigungen und versuchten, diese an das Unternehmen zurückzugeben. Als am 7. Oktober die Gewerkschaft und Vertreter der Firmenleitung vom lokalen Parlamentsausschuss zu einem Treffen eingeladen wurden, übergaben Gewerkschaftsvertreter das Trennungsgeld. Die Vertreter der Firmenleitung waren sprachlos, verweigerten die Annahme und verließen den Raum.

Gewerkschaftsdelegierte der Asiatisch-Pazifischen Regionalkonferenz der IUL (Bali, Indonesien, 18.-20. Oktober 2011) brachten eine Dringlichkeitsentschließung über Verletzungen der Gewerkschaftsrechte bei Nestlé Panjang (Indonesien) und Nestlé Kabirwala (Pakistan) ein. Das Bild zeigt Delegierte, die gegen Nespressionen in Form von Massenentlassungen in Panjang und ungerechtfertigten Strafanzeigen gegen Gewerkschaftsführer in Pakistan protestieren.

Der Streik in Panjang war eine durchaus verständliche Reaktion auf jahrelange Kämpfe um das Recht, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen und sinnvolle Verhandlungen mit einem der mächtigsten Konzerne der Welt aufzunehmen. Die lokale Firmenleitung des Konzerns hat dagegen bewusst die Frustration genährt, indem sie eine Reihe von Zwischenfällen provozierte, die sie dazu nutzte, die jahrelangen Kämpfe in einem Land, in dem den Arbeitnehmern/innen nach wie vor grundlegende Rechte verweigert werden, zu schwächen.

Nespressionen suchen Pakistan heim

Kaum hatte Nestlé 2007 sein Werk in Kabirwala, Pakistan zur größten Molkerei des Konzerns in der Welt erweitert, als die Firmenleitung schon versuchte, die Gewerkschaft zu schwächen und ihren energischen und leistungsstarken Vorsitzenden Mohammad Hussein Bhatti anzugreifen, den sie im Juni 2007 freistellte, weil er sich gegen die Einmischung der Firmenleitung in die Gewerkschaftswahlen gewehrt hatte (siehe in Englisch Pakistan: Firmenleitung greift in Gewerkschaftswahlen ein, entlässt Gewerkschaftsvorsitzenden und missachtet Gerichtsverfügungen). Später musste Nestlé diesen Schritt allerdings rückgängig machen, und Bhatti wurde wiedereingestellt.

Der Druck auf die Gewerkschaft hielt jedoch an und hat wieder einen neuen Höhepunkt erreicht, weil die Gewerkschaft beschloss, die zahlreichen Vertragsarbeiter im Betrieb als Mitglieder aufzunehmen und 250 Vertragsarbeitern/innen dabei zu helfen, gemäß den gesetzlichen Vorschriften den Status von Dauerbeschäftigten zu erlangen, indem sie entsprechende Klagen beim Arbeitsgericht einreichte. Bhatti und der IUL-Mitgliedsverband National Federation of Food, Beverage and Tobacco Workers hatten die Casual-T Kampagne in der Lipton Teefabrik von Unilever im nahegelegenen Khanewal tatkräftig unterstützt - und es scheint, die lokale Nestlé-Firmenleitung ist entschlossen, ähnliche Forderungen nach einem Ende der gesetzwidrigen prekären Beschäftigungsverhältnisse abzuwehren.

Während das Gericht durch `Aussetzungsbeschlüsse´ die Firmenleitung anwies, den Status der Vertragsarbeiter/innen bis zur endgültigen Entscheidung über die eingereichten Klagen nicht zu verändern, kündigte die Firmenleitung die Verträge zahlreicher Arbeiter/innen und lud in einer gezielten Provokation neue Vertragsarbeiter/innen zu einer `Besichtigung´ der Fabrik ein, womit sie den Eindruck erweckte, dass diese die Kollegen und Kolleginnen ersetzen sollten, die dafür kämpften, nach jahrelanger prekärer Beschäftigung eine Daueranstellung zu erhalten.

Statt der Forderung der Gewerkschaft zu entsprechen, über den Beschäftigungsstatus der prekären Arbeitnehmer/innen in diesem `Weltklasse´betrieb zu verhandeln, versuchte die Firmenleitung, die lokale Öffentlichkeit gegen die Gewerkschaft und ihren Vorsitzenden zu mobilisieren und löste eine Reihe von Zwischenfällen und Provokationen aus, wie falsche Strafanzeigen (die anschließend vom Gericht zurückgewiesen wurden) und die Anstachelung extremistischer religiöser Organisationen, gegen die Gewerkschaft vorzugehen. Am 10. Oktober wurde der Gewerkschaftsvorsitzende Bhatti von Sicherheitskräften am Werkseingang angehalten und davon unterrichtet, dass er für die Dauer von vier Tagen freigestellt worden sei. Seither sind diese Freistellungen für die Dauer von jeweils vier Tagen ständig wiederholt worden.

Stoppt Nespressionen!

Macht der Nestlé-Konzernleitung in Vevey klar, dass die lokale Firmenleitung in Panjang die entlassenen SBNIP-Mitglieder wiedereinstellen und gutwillige Verhandlungen aufnehmen muss, die bereits viel zu lange hinausgeschoben wurden! Die Firmenleitung in Pakistan muss die Freisetzung des Gewerkschaftsvorsitzenden Bhatti rückgängig machen, ihre Provokationen, Einschüchterungen und Entlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern und -funktionären einstellen und gutwillige Verhandlungen mit der Gewerkschaft Kabirwala aufnehmen.

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