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Tag der Arbeit 2012: die Politik zurückholen, Occupy!

30.04.12 Editorial
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Heute wird jenen, die staatliche Politiken anfechten, welche Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und die Zerstörung der öffentlichen Dienste fördern, beharrlich und ständig entgegnet, dass diese Maßnahmen notwendig sind, weil "der Markt" es verlangt. Linke wie rechte Politiker entziehen sich ihrer öffentlichen Verantwortung mit der Entschuldigung, sie täten nur das, was der Markt will. Dies verschleiert natürlich die Wahrheit, dass die Märkte durch und durch politische Konstruktionen sind.

Von Schuldgefängnissen über koloniale Enteignung bis zur heutigen Ausplünderung durch Unternehmen, das (Zivil-und Handels-)Recht, "Streitbeilegungs"gremien und letztlich die Polizei und das Militär setzen die Marktregeln durch.

"Der Markt" wird zu einer urtümlichen, anonymen Kraft hochstilisiert, und gleichzeitig werden ihm menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Märkte haben "Stimmungen". Die Regierungen versuchen, diese Stimmungen zu besänftigen, indem sie öffentliche Bedienstete entlassen, Schulen und Krankenhäuser schließen, Rentenfonds privatisieren und ähnliche Maßnahmen treffen. Es ist merkwürdig, dass die angeblich unpersönlichen Elemente, die den Markt bilden, heute in ihrer ganzen Individualität nie stärker hervorgetreten sind. Immer mehr Trader, Banker, Anlageberater und CEOs lassen sich auf Facebook aus. Sie bloggen, tweeten und sprechen auf CSR-Veranstaltungen und geben Kauf-, Halten- und Verkaufsempfehlungen heraus in einer Weise, die ihre mehr zurückhaltenden Vorgänger schockiert hätte. Weitsichtige Gemüter unter ihnen verkünden, dass ihre Unternehmen jetzt das Vehikel für die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse (neben esoterischeren Verbraucherwünschen) sind, da die Regierungen "versagt" haben.

Die Arbeitnehmer/innen kämpfen mit den Folgen einer in der Geschichte beispiellosen Übertragung von Reichtum und Ressourcen in immer weniger Hände, während Ideologieverfechter bestimmen, dass es der Politik nicht gestattet werden darf, in den Markt – ihren Markt – einzugreifen. So geben die Regierungen Milliarden zur Rettung von Finanzinstituten aus, lehnen aber stimmberechtigte Aktien und eine Rolle bei der Leitung der Institute ab, die mit dem Geld der Bürger gerettet worden sind.

Man sagt uns "Es gibt keine Alternative" zu den Sparmaßnahmen zu einer Zeit, da die Konzerne in den USA, der Eurozone, im VK und in Japan auf geschätzten Barbeständen in Höhe von USD 7,75 Billionen in ihren Bilanzen sitzen (gegenüber einem geschätzten globalen BIP von USD 60-65 Billionen). Der Hort wird sogar noch grösser, da die Regierungen die Unternehmenssteuern senken und Mindestlöhne und öffentliche Dienste drastisch kürzen.

Die Forderungen am heutigen Tag der Arbeit sind die gleichen wie vor mehr als hundert Jahren, als die Arbeiterbewegung den 1. Mai zu unserem Tag erklärte, dem Tag der internationalen Arbeiterklasse. Wir fordern Arbeitsplätze, Gesundheit, Nahrung, Wasser, Bildung – eine Zukunft für uns selbst, unsere Kinder und unseren Planeten. Nicht nur diese, unsere Rechte, werden gestohlen. Die Politik, ein öffentliches Gut, ist es doch der Prozess, mit dessen Hilfe die Bürger bewusst ihre Gesellschaften gestalten, wird privatisiert.

Wenn wir unsere Rechte wollen, werden wir uns die Politik als Mittel demokratischen Handelns wieder aneignen müssen. Die Occupy-Bewegung in den USA löste riesige Begeisterung im In- und Ausland aus mit einem einfachen Slogan – „Wir sind die 99%“ - , der die Folgen der Privatisierung der Politik auf den Punkt brachte. Der spanische Generalstreik im März stand unter dem Slogan „Sie wollen alles wegnehmen“. Lasst uns am Tag der Arbeit 2012 damit beginnen, die Rückgabe des Gestohlenen und Occupy Everything zu fordern.

Eine Stellungnahme der Globalen Gewerkschaftsbünde und des IGB zum Tag der Arbeit kann online unter www.ituc-csi.org abgerufen werden.