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Kolumbianische Arbeiter/innen und Bauern bieten dem globalen Neoliberalismus die Stirn

09.09.13 Editorial
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Freihandelshühner  fallen auf  Kolumbien zurück, wo städtische Arbeiter/innen und Gewerkschaften den Streik von Hunderttausenden von Kleinbauern unterstützen, die durch die jüngsten Handelsabkommen mit den USA und anderen Ländern arg gebeutelt worden sind. Die Welle der Streiks und Demonstrationen stellt nicht nur die bedeutendste soziale Bewegung in diesem Land seit Jahrzehnten dar. Sie ist derzeit auch die am breitesten angelegte Kampfansage an das globale neoliberale Projekt. Zu einer Zeit, da neue Handels- und Investitionsverträge wie das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPPA) unter Bedingungen strenger Geheimhaltung ausgearbeitet werden, können wir viel daraus lernen. Und es braucht globale Unterstützung.

Den Geflügel-, Molkerei-, Reis-, Kartoffel-, Kaffee- und anderen landwirtschaftlichen Produzenten haben sich andere Gruppen angeschlossen – Lastwagenfahrer, die gegen die hohen Kraftstoffpreise protestieren, Gesundheitspersonal, das gegen die Privatisierung kämpft, Bergleute, die gegen das Verschenken der Bodenschätze des Landes protestieren, Lehrer, sie alle haben eigene Forderungen , sind aber in ihrer Unterstützung für die ländliche Revolte geeint. Die nationale Gewerkschaftszentrale CUT und andere Gewerkschaften haben entscheidend zur Mobilisierung breiter Unterstützung beigetragen.

Das Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, das letztes Jahr in Kraft getreten ist, schaffte sofort die Zölle auf 70% der Agrarimporte ab und lässt sie für die übrigen Erzeugnisse auslaufen. Das vorhersehbare Resultat war eine Flut von billigen Importen, von denen viele von direkten und versteckten Subventionen profitieren. Das hatte sofortige und schwere Auswirkungen auf die Existenzgrundlagen.

Die Reaktion von Präsident Santos bestand zunächst darin, die Proteste zu leugnen (gleichzeitig aber gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen) und dann fälschlicherweise die Guerrillas für die Protestbewegung verantwortlich zu machen. Die Repression eskalierte, und am 25. August verhaftete die Polizei in Bogota Hubert de Jesús Ballesteros Gómez, ein Mitglied der  CUT- Exekutive und einer der Gewerkschaftsführer, die mit der Regierung verhandeln sollten. Er ist nach wie vor in Haft. Santos erklärte dann, er sei bereit, über die Forderungen der Bewegung zu verhandeln unter der Voraussetzung, dass die Streiks und Proteste eingestellt würden. Schliesslich stimmte er Verhandlungen auf Basis angeblicher Schutzmassnahmen des Vertrags zu, die Gespräche sind jedoch immer noch festgefahren.

Nach den Bestimmungen des Vertrags gibt es keine solchen Schutzmassnahmen.

Der Vertrag untersagt es Kolumbien ausdrücklich, die variablen Zölle anzuwenden, die zuvor zulässig waren, wonach die Zölle bei sinkenden Einfuhrpreisen steigen konnten. Befristete Massnahmen als Reaktion auf plötzliche Veränderungen bei der Menge der Waren sind zulässig, aber nur bei den Importen, die nicht schon zollfrei eingeführt werden können. Die kolumbianischen Produzenten können sich gegen die Preisschwankungen nicht wehren, die ihre Existenzgrundlagen vernichten. Selbst die sehr begrenzten landwirtschaftlichen Schutzmechanismen, die derzeit nach den WTO-Regeln zulässig sind, sind aus dem Vertrag zwischen den USA und Kolumbien ausgeschlossen worden – ein Paradebeispiel dafür, wie aufeinanderfolgende Handels-und Investitionsabkommen Einschränkungen auftürmen, um nationale politische Spielräume einzuengen und die Macht der Konzerne zu stärken.

Preisschwankungen sind nicht das einzige Element dieser Attacke auf die Ernährungssicherheit und die ländlichen Einkommen. Finanzspekulationen, explodierende Landpreise und das scharfe Vorgehen der Regierung gegen “ nicht registriertes” (d.h. nicht patentiertes) Saatgut gehören zusammen.

Gewerkschafter, Bauernaktivisten und Verteidiger der bürgerlichen Freiheiten werden trotz der den Handelsabkommen mit den USA und der Europäischen Union angehängten “Schutzbestimmungen” weiterhin ungestraft ermordet. Im Juli trat Kolumbiens Botschafter in den USA im Zusammenhang mit seiner angeblichen Rolle bei der Übertragung von Land, das im Besitz von Kleinbauern war, an Grosskonzerne über im Ausland eingetragene Mantelgesellschaften zurück. Zu den betroffenen Konzernen gehörten Cargill mit Sitz in den USA, Riopaila Castilla, Kolumbiens grösster Zuckerproduzent, und eine Finanzfirma, die dem milliardenschweren Eigentümer der grössten Zeitung Kolumbiens gehört, einem engen Freund von Präsident Santos. Die Untergrabung der Ernährungssicherheit ist ein Gemeinschaftsunternehmen kolumbianischer und ausländischer Investoren.

Unter dem Slogan  “Wir sind alle Kleinbauern” fordert die Bewegung die Neuaushandlung oder Abschaffung der Handelsabkommen.Gewerkschaften rund um die Welt sollten diese Forderung unterstützen – und die Lehren aus Kolumbien in den Kampf gegen das TTPA und ähnliche antidemokratische Investitionsabkommen einbeziehen.

Die neuesten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Bewegung in Kolumbien werden regelmässig auf der Website der IUL-Regionalorganisation für Lateinamerika veröffentlicht.