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Jüngste Enthüllungen über die Investitionsschutzklausel beweisen, dass es bei den Verhandlungen der transpazifischen „Handels“-Vereinbarung im Kern um die Machtübernahme durch die Konzerne geht

09.04.15 Editorial
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Die zuletzt bekannt gewordenen Enthüllungen über die Investitionsschutzklausel des Transpazifischen Partnerschaftsabkommens – das riesige Handels- und Investitionsabkommen, das gegenwärtig zwischen den USA und elf pazifischen Randstaaten (Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam) hinter verschlossenen Türen verhandelt wird – bestätigen die Ansicht der IUL und der vielen anderen Kritiker, dass diese und ähnliche Vereinbarungen abzulehnen sind. Diese Abkommen, die ganz bewusst die irreführende Bezeichnung „Handelsabkommen“ tragen, sind nichts anderes als der Griff nach der Macht durch die Konzerne, indem sie den transnationalen Investoren zu weitreichenden Befugnissen und Klagemöglichkeiten verhelfen sollen.

Das „Kapitel über Investitionen“, das am 25. März von Wikileaks zusammen mit einer genauen Analyse durch Public Citizen unter https://wikileaks.org/tpp-investment/TPP-Investment-Chapter-Analysis/page-1.html (nur auf Englisch) veröffentlicht wurde, sieht eine Ausweitung der Befugnisse der Unternehmensinvestoren vor; demnach sollen sie ihre Ansprüche über geheime Schlichtungstribunale geltend machen können, die ihrerseits die Gesetze, Regulierungen und Gerichtsbeschlüsse der Unterzeichnerstaaten sowie deren staatliche Genehmigungs- und Patentbehörden auf nationaler und subnationaler Ebene unmittelbar anfechten können. Ein paralleles Rechtssystem der Konzerne würde transnationalen Investoren ermöglichen, Regierungen auf Schadenersatz zu klagen, wenn sich gesetzliche bzw. regulatorische Maßnahme auf gegenwärtige oder vorweggenommene künftige Gewinne auswirken. Die nach dem Modell des 1996 vereinbarten Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) in den regionalen und bilateralen Abkommen vorgesehenen Mechanismen für die sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegung (Investor to State Dispute Settlements / ISDS) werden heute schon zur Anfechtung staatlicher Befugnisse geltend gemacht – mit verheerenden Auswirkungen auf den Umwelt- und Verbraucherschutz, den Arbeitsschutz, die Bereitstellung leistbarer Medikamente, die öffentliche Gesundheitsversorgung, die öffentliche Verwaltung von Grund und Boden und Rohstoffen, die Förderung sauberer Energiequellen und lokaler Ernährungssysteme sowie die Regulierung der Kapitalflüsse im Interesse der Finanzstabilität (Beispiele dafür finden sich in der IUL-Publikation „Handelsgeschäfte, die die Demokratie gefährden“ http://www.iuf.org/w/sites/default/files/ONLINE%20TradeDealsThatThreatenDemocracy-d.pdf).

Der durchgesickerte Text enthält die schädlichsten Elemente früherer Verträge; er räumt Konzernen zum Beispiel die Macht ein, Schadenersatz für „indirekte Enteignungen“ zu fordern, die die Folge einer neuen staatlichen regulatorischen oder gesetzlichen Maßnahme sind und sich potentiell auf die Rentabilität auswirken, wobei bei der Entschädigungssumme von „erwarteten“ künftigen Gewinnen ausgegangen wird. Die Forderung der Konzerne nach „Mindeststandards bei der Behandlung“ verlangt eine rechtlich bindende Verpflichtung, „das gesetzliche und wirtschaftliche Umfeld, in dem die Investition erfolgt ist, nicht zu verändern.“ Über ISDS können die Konzerne daher nicht nur bestehende Gesetze und Regulierungen anfechten; sie können darüber hinaus auch auf Schadenersatz für „erwartete Verluste“ klagen, die die Folge einer in der Zukunft verabschiedeten staatlichen Regulierung sind. Investitionsschutz, der einst auf Immobilien beschränkt war, wird u.a. auf geistiges Eigentum, finanzielle Vermögenswerte und behördliche Genehmigungen ausgeweitet.

Trotz des massiven Widerstands gegen TPPA und das ihm verwandte TTIP, das zwischen der USA und der EU verhandelt wird, und einer noch nie dagewesenen öffentlichen Debatte, insbesondere was die Streitbeilegung betrifft, ist die Analyse von Public Citizen der Beweis dafür, dass das jetzt durchgesickerte Investitionskapitel den Investoren sogar noch mehr Macht einräumt als die frühere Version, die 2012 an die Öffentlichkeit gelangte. Die Investitionsklausel des TTIP wird gegenwärtig noch verhandelt und der Entwurf muss erst vorgelegt werden, doch sieht man sich das TPPA-Kapitel an, wird überdeutlich, was zu erwarten ist.

In beiden Vereinbarungen geht es im Wesentlichen um die „Rechte“ der Konzerninvestoren. Der Handel spielt dabei so gut wie keine Rolle, und schon gar nicht geht es um die menschenwürdigen Arbeitsplätze, die wir so dringend brauchen.

Die Streitbeilegung gibt den Investoren eine mächtige Waffe in die Hand, um sich weiterhin zu bereichern und demokratisches staatliches Handel zu untergraben. ISDS ist jedoch nicht das einzige Mittel, um diese Ziele durchzusetzen. Handels- und Investitionsabkommen enthalten auch Investitionsstreitbeilegungsmechanismen zwischen den Staaten, außerdem können die Ansprüche der Investoren über Verträge durchgesetzt werden. Das politisch rechts stehende Cato Institute in den USA hat den Konzernlobbyisten bereits geraten, dem wachsenden öffentlichen Widerstand gegen ISDS zu begegnen, indem sie sie still und heimlich aufgeben und im Rahmen der Verhandlungen ihre Ziele über diese anderen Mittel erreichen. Die Gegner dieser Abkommen sollten daraus schließen, dass die Vereinbarungen insgesamt als das abgewehrt werden müssen, was sie sind: Ein Angriff der Konzerne auf die Demokratie.