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Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen rufen zu politischer Mobilisierung gegen CETA auf

08.12.16 Editorial
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Die IUL, unsere Schwesterorganisation, die Internationale der Öffentlichen Dienste, und viele Gewerkschaften auf beiden Seiten des Atlantiks, darunter IUL-Mitgliedsverbände, gehören zu den mehr als 450 Organisationen, die die Gesetzgeber aufgefordert haben, das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der EU und Kanada abzulehnen (hier klicken, um das Schreiben und die Liste der Unterzeichner zu lesen - nur auf Englisch).

Kanada und die EU haben den Vertrag am 30. Oktober unterzeichnet und damit wesentliche Teile des Abkommens zur 'vorläufigen Anwendung' gebracht, es muss aber noch vom Europäischen und vom kanadischen Parlament; sowie von den nationalen Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden, um in vollem Umfang in Kraft zu treten.

Die geplante frühere Unterzeichnung wurde durch den Widerstand der wallonischen Regionalregierung verzögert. Daraufhin wurde in aller Eile eine 'Gemeinsame Auslegungserklärung' revidiert, um den erheblichen öffentlichen Widerstand gegen das Abkommen zu beschwichtigen. Die Erklärung geht in keiner Weise auf die berechtigten Sorgen ein, die Millionen von Menschen in Kanada und in der EU auf die Strasse getrieben haben, und verwandelt das im Grunde antidemokratische CETA auch nicht in das 'fortschrittliche Handelsabkommen', als das es von seinen Befürwortern propagiert wird.

Das CETA ist und bleibt "ein Investitionsabkommen, das in ein umfassendes Deregulierungsprojekt eingebettet ist", und die Auslegungserklärung ändert daran nichts. Die Erklärung enthält beispielsweise die lächerliche Feststellung, dass "das CETA nicht dazu führen wird, dass ausländische gegenüber einheimischen Investoren begünstigt werden. Das CETA privilegiert nicht die Anrufung der mit dem Abkommen eingerichteten Investitionsgerichtsbarkeit. Die Investoren können sich stattdessen dafür entscheiden, die verfügbaren Rechtsbehelfe vor inländischen Gerichten einzulegen." Transnationale Investoren sind aber immer in der Lage gewesen, die inländischen Rechtssysteme in Anspruch zu nehmen. Das Investitionsgericht des CETA, eine andere Bezeichnung für die notorischen Investor-Staat-Gerichte, schafft ein paralleles Rechtssystem, zu dem nur transnationales Kapital Zugang hat.

Die Auslegungserklärung stellt feierlich fest, dass "das CETA die Fähigkeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten und Kanadas wahrt, ihre eigenen Gesetze und Vorschriften, die im öffentlichen Interesse die Wirtschaftstätigkeit regulieren, zur Erreichung legitimer politischer Ziele…zu erlassen und anzuwenden". Dieser 'auslegende' Kommentar gibt lediglich Formulierungen im Vertragstext wieder, der auch ein Regelungsrecht bekräftigt - ein Recht im Übrigen, das in den internationalen Gewohnheits-Menschenrechtsnormen verankert ist und in einem Handelsabkommen nicht bekräftigt zu werden braucht. Nach dem CETA 'wahren' die Regierungen das Regelungsrecht nur insoweit, als die Rechtsvorschriften in Bezug auf ausländische Investoren 'diskriminierungsfrei' sind, keine 'Belastung' (für Unternehmen) darstellen und die Bürger zu zahlen bereit sind, wenn Gesetzgeber ihr Mandat wahrnehmen, das öffentliche Interesse zu schützen. Falls ein transnationaler Investor die Massnahmen anfechtet, entscheidet das Investitionsgericht, ob eine 'indirekte Enteignung' vorliegt, "nach Würdigung der Fakten…; dabei sind unter anderem folgende Faktoren zu berücksichtigen: das Ausmass, in dem die Massnahme oder die Reihe von Massnahmen den vernünftigen Erwartungen, die mit der Investition verbunden sind, zuwiderläuft" (CETA, Anhang 8A, in dem 'die Vertragsparteien bekräftigen, dass eine Enteignung direkt oder indirekt erfolgen kann.')

Ausserdem beschränkt sich die Attacke auf demokratische Regierungsführung nicht auf den Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus in der neuen Aufmachung. Die umfangreichen Ansprüche transnationaler Investoren ziehen sich durch den gesamten Vertrag, einschliesslich der Kapitel über öffentliches Beschaffungswesen, inländische Regulierung, geistiges Eigentum und Finanzdienstleistungen, die in der Auslegungserklärung nicht angesprochen werden.

Statt 'fortschrittlich' zu sein, ist "das CETA eine rückwärts gewandte, noch penetrantere Version der alten Freihandelsagenda, die von und für die grössten multinationalen Konzerne konzipiert worden ist", heisst es in der gemeinsamen Erklärung. US-Multis können über ihre kanadischen Tochtergesellschaften uneingeschränkt das CETA nutzen, um bestehende und künftige EU-Gesetze und Vorschriften zu attackieren, die sie für eine Belastung halten, während das CETA Nicht-EU-Konzernen mit EU-Tochtergesellschaften eine Plattform bietet, um die Regulierung im öffentlichen Interesse in Kanada zu attackieren.

Das CETA schreibt ein Investitionsregime fest, das die wirklich fortschrittlichen Investitionsmasssnahmen ausschliesst, auf die künftige Regierungen angewiesen sein werden, um demokratische Ziele zu verfolgen und die Ungleichheit zu verringern. Das neue Gewand des Abkommens ist fadenscheinig. Widerstand muss organisiert werden, um es zu Fall zu bringen.