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Gedenken an Tiananmen

29.05.19 Editorial
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Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Hongkong werden am 4. Juni zusammenkommen,  um das Versprechen der Demokratiebewegung  und der selbstorganisierten autonomen Gewerkschaften der Werktätigen, die den offiziellen Gewerkschaftsstrukturen des Parteistaates den Kampf ansagten, in China im Jahr 1989 und die Erinnerung daran wachzuhalten.  Der Gewerkschaftsbund von Hongkong, die einzige unabhängige Gewerkschaft in China, hat diese Erinnerung mit Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen jedes Jahr wachgehalten, seit  vor drei Jahrzehnten die  Panzer auf den Tiananmen-Platz rollten und Tausende  in ganz China festgenommen und inhaftiert wurden. Die Gewerkschaften in aller Welt sollten in ihrer Unterstützung ebenso lautstark und deutlich sein.

Zwar hat sich in China vieles geändert, darunter  das Aufkommen kollektiver Massenaktionen der Arbeiterschaft, den Unterdrückungsapparat, der 1989 überholt, zentralisiert und verfeinert wurde, gibt es aber immer noch. Bestandteil dieses Apparats ist der Gesamtchinesische Gewerkschaftsbund (ACFTU), der mit der Regierung und ihren Sicherheitsdiensten stets gemeinsame Sache gemacht hat, um sicherzustellen, dass Bemühungen der Arbeitnehmer, sich unabhängig zu organisieren, weiterhin kriminalisiert werden. 

Anfang dieses Jahres “verschwanden” Dutzende von Arbeiteraktivisten und Arbeitnehmerrechte-Unterstützern oder wurden inhaftiert, nachdem Beschäftigte von Jasic Technology 2018 versucht hatten, eine Gewerkschaft zu gründen.  Der ACFTU verhielt sich nicht nur passiv – er spielte bei dem harten Vorgehen bei Jasic eine aktive Rolle. Für einen grossen Teil der Gewerkschaftsbewegung ist die Repression in China jedoch auf einen Tagesordnungspunkt reduziert worden, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen wird, oder sie ist heruntergespielt worden, um das richtige Verhalten zu bestimmen, sollte man einem ACFTU-Vertreter begegnen.

Ist es das schiere Ausmass der Repression, das die Wahrnehmung, die Grundsätze und die Solidarität abstumpfen lässt? Eine Million oder mehr Uiguren und andere überwiegend muslimische, überwiegend turksprachige Völker im Westen Chinas sind in “Umerziehungslagern” interniert worden.  Mit Hilfe von US-Technologie hat die Regierung eine obligatorische DNA-Datenbank der Uiguren aufgebaut, um die Massenüberwachung zu erleichtern. Überall in China wird Gesichtserkennungstechnologie auf Basis künstlicher Intelligenz eingesetzt, die auf Minderheiten zielt. Die Arbeiterbewegung hat traditionell gegen Masseninhaftierung, Massenüberwachung und Zwangsarbeit Stellung bezogen. Heutzutage stossen  solche systematischen Rechteverletzungen jedoch auf Schweigen. Kann irgendjemand glauben, dass diese ungeheure Unterdrückungs- und Überwachungsmaschinerie nicht gegen Menschen eingesetzt werden wird, die für Arbeitnehmerrechte und bürgerliche Freiheiten kämpfen?  Können wir Amazons üble Überwachung seiner Mitarbeiter/innen verurteilen und angesichts einer Überwachung ungleich grösseren Ausmasses stumm bleiben?

Die Zensur in China schwillt ab und an, mit ständig wechselnden Zielen. Teile der historischen Vergangenheit – der Grosse Sprung nach Vorn oder die Kulturrevolution beispielsweise – tauchen gelegentlich auf und sind Gegenstand einer begrenzten Diskussion, bis die Politik und die Macht sie wieder in der Versenkung verschwinden lassen.  Je näher der 4. Juni rückt, umso mehr Festnahmen und Inhaftierungen wird es wieder geben und Bemühungen, alle Hinweise auf die Ereignisse des 4. Juni 1989 und ihre Bedeutung aus dem Internet, aus privaten Mitteilungen und aus dem Gedächtnis zu löschen.

Der HKCTU kämpft gegen das stetige Ersticken des demokratischen Raums in Hongkong, wo Führer der Occupy-Bewegung vor Kurzem strafrechtlich verurteilt worden sind und HKCTU-Führern selbst Anklagen drohen. Dennoch erhalten sie die laufende Unterstützung für den Kampf für Arbeitnehmerrechte auf dem Festland aufrecht und haben die Absicht, am 4. Juni auf die Strasse zu gehen. Die IUL steht stolz an ihrer Seite.