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Die brutale Ausbeutung hinter zertifiziertem Premiumpreis-Kaffee aus Brasilien

27.12.19 News
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Eine jüngste Studie von Thomson Reuters (Von Sklaven gepflückt: In Brasilien braut sich Kaffeekrise zusammen - auf Englisch) liefert neue Beweise, wie Kaffee, der im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais unter brutalen und ausbeuterischen Bedingungen produziert wird, dank Zertifizierungsverfahren wie jenem der Rainforest Alliance von multinationalen Unternehmen zu Premiumpreisen verkauft wird. Brasilien baut ein Drittel der weltweiten Kaffeebohnen an; die Hälfte davon stammt aus Minas Gerais.

Die Untersuchung brachte Schuldknechtschaft und Hungerlöhne ans Licht, dazu elende Unterkünfte, miserable Wasserversorgungs- und Sanitäreinrichtungen und entsetzliche Arbeitsschutzbedingungen. „2018 stießen die Behörden landesweit auf über 300 Kaffeearbeiter/innen in sklavenähnlichen Bedingungen, was der höchsten Anzahl seit 15 Jahren entspricht. Das tatsächliche Ausmaß der Sklaverei im Sektor ist jedoch unbekannt“, so der Bericht, der Wissenschaftler und Aktivisten mit den Worten zitiert: „Das Ausmaß der Sklavenarbeit in Minas Gerais dürfte signifikant sein und überwiegend unkontrolliert bleiben.“ (Nach brasilianischem Strafgesetz beinhaltet die Definition von Sklaverei neben Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit Arbeitszeiten bis zur Erschöpfung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen).

Die staatlichen Mittel für Arbeitsinspektionen wurden drastisch gekürzt, während gleichzeitig die Kaffeeexporte in die Höhe schnellten. Die Zahl der mobilen Arbeitsinspektoren ist seit Jahren rückläufig. In Minas Gerais mit seinen mindestens 119.000 Kaffeeplantagen und hunderttausenden Arbeiter/innen, von denen die überwiegende Mehrheit informell beschäftigt ist und keinerlei Anspruch auf Mindestnormen im Bereich der Beschäftigung oder auf sozialen Schutz hat, stehen gerade einmal 245 Inspektoren zur Verfügung.

Die private Zertifizierung hat auf dem Rücken des massiven staatlichen Versagens, für Mindeststandards zu sorgen, ein globales Geschäft aufgebaut. Caveat emptor („der Käufer sei wachsam“), so der Bericht, denn „in Minas Gerais befürwortet Rainforest systematisch hunderte Kaffeeplantagen über ‚Gruppenzertifizierungen‘, obwohl nur ein Bruchteil der vielen in einem Kollektiv zusammengefassten Farmen überprüft wird.“ In einer Auswertung seines Kaffee-Zertifizierungsprogramms von 2019 gab das der Rainforest Alliance angehörende UTZ an, dass 98% seiner zertifizierten Produzenten mittelständische bis große Farmen wären. Laut Bericht stellten die Behörden auf 10 Farmen, die von Rainforest oder der brasilianischen und mit Syngenta zusammenarbeitenden Certifica Minas zertifiziert waren, Verstöße gegen Arbeitsrechte fest.

Diesem Ausbeutungssystem liegt eine systembedingte Gewalt zugrunde – ein Element, das im Thomson Reuters Bericht fehlt. Gewerkschafter/innen, die die Arbeiter organisieren wollen, Aktivist/innen der sozialen und Bürgerrechtsbewegungen und selbst Arbeitsinspektoren werden ungestraft ermordet.

Dem Bericht zufolge überlegt Rainforest Alliance nun „eine Änderung, damit gewährleistet ist, dass alle Farmen zumindest einmal alle drei Jahre einer unabhängigen Prüfung unterzogen werden.“