Home

Soziale Revolte verstärkt Kampf gegen unsichere Beschäftigung bei Coca-Cola Tunesien – Gewerkschaft handelt Abschaffung der Leiharbeit aus

07.02.11 News
Druckversion

Die Massenrevolte in Tunesien, die Ben Ali aus dem Amt gedrängt hat, hat auch die Machtverhältnisse in den Unternehmen verändert. Die Gewerkschaften spielten bei dem sozialen Aufruhr eine entscheidende Koordinierungs- und Organisierungsrolle. Beim tunesischen Abfüllbetrieb SFBT von Coca-Cola haben die Gewerkschaften die Gelegenheit ergriffen, ein Ende der Leiharbeit auszuhandeln und die missbräuchliche Verwendung von prekären Arbeitsverträgen einzudämmen.

Am 1. Februar sprach die IUL mit Houcine Krimi, der bei unserem Mitgliedsverband FGAT-UGTT für transnationale Unternehmen zuständig ist.

Wie haben die Coca-Cola-Beschäftigten auf die Massenproteste im Land reagiert?

Wir haben uns an allen Demonstrationen gegen die Diktatur beteiligt. Gleichzeitig haben wir die Leiharbeitskräfte organisiert, damit sie eine Lösung für ihre entsetzliche Situation verlangen. Sie arbeiten mit Zeitverträgen für eine Leiharbeitsagentur, wo unsere Gesamtarbeitsverträge nicht gelten, wo keine Sozialbeiträge geleistet werden und wo sie keine Arbeitsplatzsicherheit haben. Das hindert sie auch daran, unserer Gewerkschaft beizutreten, da sie Gefahr laufen würden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Das ist letztes Jahr Beschäftigten bei BST passiert, Coca-Colas Vertriebstochtergesellschaft.

Wir hatten eine einzige Forderung: diese Leiharbeitskräfte als unmittelbare SFBT-Beschäftigte anzuerkennen. Nach tunesischem Recht müssen Arbeitnehmer/innen, die seit mehr als vier Jahren beschäftigt sind, einen Dauerarbeitsvertrag erhalten; wir forderten, dass diese Arbeitskräfte unmittelbar von Coca-Cola beschäftigt werden, und nicht von der Agentur. Für die anderen, mit weniger als vier Jahren Betriebszugehörigkeit, forderten wir, dass sie mit Zeitverträgen unmittelbar von SFBT beschäftigt  und nach vier Jahren fest angestellt werden.

Welche Maßnahmen hat die Gewerkschaft auf Fabrikebene ergriffen?

Um das Problem der Leiharbeit kümmern wir uns seit dem letzten Jahr, es war aber sehr schwer, Fortschritte zu erzielen. Jetzt aber, angesichts der neuen Situation, traten die Arbeitnehmer/innen – sowohl die Leiharbeitnehmer/innen als auch die fest angestellten Kräfte – zur Unterstützung ihrer Forderungen in den Streik, zuerst in Meghrine, einem der 10 Coca-Cola-Abfüllbetriebe im Land. Sie streikten eine ganze Woche. Wir haben auch die Arbeitsaufsicht eingeschaltet, was den Bemühungen um eine positive Lösung Nachdruck verliehen hat.

Wie hat die Coca-Cola-Betriebsleitung auf den Streik und die Forderungen reagiert?

Die Verhandlungen in Meghrine waren wirklich schwierig! Die Betriebsleitung erklärte, sie könnte den Abfüllbetrieb in Meghrine schließen, wenn wir zu viele Forderungen stellten.

Sie versuchten auch auf Zeit zu spielen mit Bemerkungen wie „wir werden das klären, wenn sich die Lage beruhigt„ usw. Wir haben ihnen aber nicht geglaubt, schließlich waren sie ja nicht zu einer Lösung des Problems bereit gewesen, als alles ruhig war, bevor die Proteste anfingen.

Da der Streik aber anhielt, gelang es uns, sie zur Unterzeichnung einer Vereinbarung zu bringen, die alle unsere Forderungen erfüllt: 78 Beschäftigte werden fest angestellt werden. Weitere 32 Beschäftigte – mit einer Betriebszugehörigkeit von weniger als 4 Jahren – werden unmittelbare Zeitverträge bei Coca-Cola bekommen.

Was passierte dann?

Wir haben in anderen Fabriken mobil gemacht, um dieses Modell auf den Rest von SFBT auszudehnen. Mehr und mehr Fabriken schlossen sich den Protesten und Streiks an. Am 1. Februar mobilisierten wir mehr als 300 Beschäftigte dieser Betriebe für eine Kundgebung vor der SFBT-Zentrale, wo die Verhandlungen stattfanden.

Als der Betriebsleitung klar wurde, dass die Protestwelle weitergehen würde, kamen wir rasch zum Ziel. Wir haben eine Vereinbarung unterzeichnet dahingehend, dass in keinem Betrieb der SFBT-Gruppe mehr Leiharbeitsagenturen eingesetzt werden: Soft Drinks, der Brauerei, der Molkerei, sogar in den Bars und Cafés, die der Gruppe gehören, was dem Modell der Vereinbarung von Meghrine folgt. Insgesamt werden mehr als 1.000 Leute von dem Unternehmen unmittelbar auf Dauer eingestellt werden. Weitere 1.000 Leute werden einen unmittelbaren Zeitvertrag bei SFBT erhalten und  unter die Kollektivvereinbarung fallen.

Wie geht es weiter?

Wir werden die Umsetzung der Vereinbarung sorgfältig überwachen. An jedem Standort werden sich die Betriebsleitung und die Gewerkschaft auf eine Liste von Beschäftigten einigen, die in ein Dauerarbeitsverhältnis bzw. in ein unmittelbares befristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden sollen. Als Termin für den Abschluss dieser Arbeit haben wir den 31. März festgesetzt. Wir werden dafür sorgen, dass alle diese Arbeitnehmer/innen der Gewerkschaft beitreten, und damit werden wir sehr viel stärker sein.

Zur Zeit führen wir solche Arbeiten auch in anderen Sektoren durch, und wir erwarten, dass wir bald mehr solche Vereinbarungen erzielen werden.