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Demokratie jetzt!

08.02.11 Editorial
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Die Massenrevolte, die in Tunesien begann und sich jetzt in Nordafrika und im Mittleren Osten ausbreitet, hat Panik ausgelöst, überrascht und inspiriert. Die Panik beschränkt sich nicht auf die Inhaber von Bankkonten in harter Währung, die nach einem sicheren Hafen für ihr Geld suchen, Politiker, die sich um ein komfortables Exil bemühen, und Botschaften und Außenämter, die zweifellos dabei sind, die Beweise ihrer Komplizenschaft zu verbrennen und zu vernichten. Sie ergreift alle, die – in der Region und außerhalb – von ihren vielfältigen Verbindungen mit einem Ausplünderungssystem profitiert haben, das von Gewalt und Unterdrückung lebte.

Die außerordentliche Entschlossenheit, Disziplin, Organisationsfähigkeit und der große Optimismus der Menschenmassen, die sich in Kairo und anderen ägyptischen Städten versammelten, um für Demokratie zu demonstrieren, hat all jene überall in der Welt inspiriert, die sich mit ihrem Kampf identifizieren und sich in ihrer Auffassung  bestärkt sehen, dass ungeachtet des unmittelbaren Ergebnisses der Ereignisse in Ägypten die Menschen ihre eigene Geschichte schreiben und kein Polizeiregime ewig Bestand haben kann.

Die Ankündigung einer unabhängigen ägyptischen Gewerkschaftszentrale Ende Januar ist ein bedeutender demokratischer Fortschritt. Dies sollte nur jene überraschen, die sich zu einer polizeistaatlichen Geschichtsauffassung (für die es nur Verschwörungen gibt) bekennen, denn in den letzten Jahren ist es in Ägypten zu massiven Kämpfen der Textilarbeiter/innen und anderer Beschäftigter des privaten und des öffentlichen Sektors gekommen, deren Kampf für Brot und für Würde im Angesicht täglicher Unterdrückung sie in unmittelbaren Konflikt mit dem Regime brachte.

Überall in der Region sind die Arbeiter/innen in Aufruhr; diese Bewegung voranzutreiben, erfordert unabhängige Gewerkschaften. In Tunesien wandten sich revoltierende Gemeinschaften an den tunesischen Gewerkschaftsdachverband UGTT mit der Bitte um Koordinierung und Organisierung, als die Bewegung stärker wurde. Anderswo können Gewerkschaften, die  mit despotischen Regimen gemeinsame Sache machten, wieder als Instrumente zur Vertretung der Interessen der Arbeiter/innen vereinnahmt werden - oder sie können einfach aus dem Weg geräumt werden.

Heute können wir noch nicht wissen, welche Organisationen letztlich aus dem Kampf der Arbeiter/innen hervorgehen werden, wir wissen aber, dass ihr Kampf unser Kampf ist.