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Es ist an der Zeit, die Wanderarbeiterkonvention zu ratifizieren und umzusetzen!

19.06.20 Editorial
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Die COVID-19-Pandemie hat die Abhängigkeit des von Konzernen beherrschten Ernährungssystems von langen, fragilen Ketten von Arbeitsmigranten schonungslos offengelegt. Aber für viele Regierungen und internationale Organisationen wie die FAO und die WHO sind die harten, ja lebensbedrohenden Bedingungen, unter denen Migranten arbeiten, eher eine Krise der Mobilität als eine Folge der Ausbeutung gestützt auf die systematische Verweigerung grundlegender Rechte.

Aus dieser Sicht besteht die Aufgabe, vor die Regierungen angesichts des Coronavirus-Notstands gestellt sind, lediglich darin, für ein ausreichendes Angebot an Arbeitskräften zu sorgen, damit die Regale der Supermärkte gefüllt bleiben, statt die Gesundheit der Arbeitskräfte und die öffentliche Gesundheit durch Sicherung der Rechte zu schützen. Treibende Kraft dieser Agenda ist der Arbeitskräftebedarf reicher Länder, die auch bedeutende Exporteure von Lebensmitteln sind, einschliesslich Ausfuhren in die Länder, aus denen Lebensmittelkonzerne mobile Arbeitskräfte holen. Die Landwirtschaft in Westeuropa beispielsweise hängt stark von Arbeitsmigranten aus Osteuropa ab, wo die Arbeitskräfte exportierenden Länder wiederum auf Migranten aus weiter entfernten Ländern angewiesen sind. Aber die Umstände der Arbeitskräfte in diesen Ländern – ihre Bedürfnisse, ihre Rechte und die Kräfte, die sie zur Migration veranlassen – werden weitgehend ignoriert. Die Ausbeutungsketten verschwinden einfach, zusammen mit den fehlenden Rechten und der allgemeinen Unfähigkeit, sie zu schützen.

In manchen Ländern haben die Gewerkschaften sich stark dafür eingesetzt, dass die Regierungen Massnahmen zum Schutz der Rechte von Arbeitsmigranten ergreifen. Diese Bemühungen können durch ein bedeutendes internationales Menschenrechtsinstrument verstärkt werden: die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (auf Englisch).

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm die Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im Jahr 1990 an. Die Wanderarbeiterkonvention trat 2003 in Kraft und wurde damit zu einem verbindlichen internationalen Vertrag. Sie gilt als eines der wesentlichen Menschenrechtsinstrumente und schafft als solches einen Uberprüfungsmechanismus. Dennoch ist sie bisher nur von 55 UN-Mitgliedstaaten ratifiziert worden – darunter keines der reichen Aufnahmeländer für Migranten. (HIER KLICKEN, um die Liste der ratifizierenden Länder auf Englisch und Französisch aufzurufen)

Es gibt eine einfache Erklärung für die begrenzte Anzahl von Ratifikationen. Länder, die die Konvention ratifizieren, verpflichten sich, das gesamte Spektrum der Menschenrechte und Freiheiten zu verteidigen , die Migranten gemäss dem Völkerrecht geniessen, einschliesslich (Artikel 26) des Rechts, frei einer Gewerkschaft beizutreten, um ihre Interessen zu verteidigen, Würden die Bestimmungen der Konvention eingehalten, müssten die Staaten gegen den Missbrauch und die zügellose Ausbeutung vorgehen, die das Schicksal der meisten Arbeitsmigranten sind.

Zwei Artikel sind angesichts der gegenwärtigen Krise besonders relevant. Artikel 25 legt den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt und andere Beschäftigungsbedingungen fest, einschliesslich Überstunden, Arbeitszeit, wöchentliche Ruhezeiten, bezahlter Urlaub, Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Artikel 28 garantiert den gleichen Zugang zu ärztlicher Versorgung wie folgt: “Wanderarbeitnehmer und ihre Familienangehörigen haben das Recht, jede ärztliche Versorgung, die für die Erhaltung ihres Lebens oder die Vermeidung einer nicht wiedergutzumachenden Schädigung ihrer Gesundheit dringend erforderlich ist, auf der Grundlage der Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des betreffenden Staates zu erhalten. Diese dringende ärztliche Versorgung darf ihnen wegen einer etwaigen Irregularität in Bezug auf Aufenthalt oder Beschäftigung nicht verweigert werden.”

Die Konvention schafft keine neuen Rechte im Völkerrecht, führt aber anerkannte, in früheren Instrumenten festgelegte Rechte zusammen und wendet sie auf die Lage von Arbeitsmigranten an, deren Zahl vorsichtigen Schätzungen zufolge derzeit rund 165 Millionen Männer und Frauen weltweit beträgt, von denen viele in den IUL-Sektoren arbeiten. Die IAO hat bei der Ausarbeitung der Konvention eine massgebende Rolle gespielt.

Länder, die die Wanderarbeiterkonvention ratifizieren, sind verpflichtet, das innerstaatliche Recht mit ihren vertraglichen Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Eine umfassendere Ratifizierung würde Massnahmen zum Schutz von Arbeitsmigranten in der gegenwärtigen Krise und darüber hinaus erleichtern. Es ist an der Zeit, dass die Gewerkschaften sich aktiv für die Ratifizierung der Internationalen Konvention zum Schutz aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen durch ihre Länder einsetzen.