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Gefängnis, Kaution, Drohungen und Entlassungen, während die Molkereibeschäftigten bei Nestlé Pakistan für ihre Rechte kämpfen

14.11.11 Urgent Action
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Bei Nestlé, dem größten Lebensmittelunternehmen der Welt, üben Firmenleitungen weiterhin Druck auf Arbeitnehmer/innen und ihre Gewerkschaften aus

Besucht www.iuf.org/nespressure/de/

Die Betriebsleitung der gigantischen Milchfabrik von Nestlé in Kabirwala, Pakistan,  ein hochmoderner Betrieb mit einem feudalen Arbeitsbeziehungssystem – kriminalisiert den Kampf der Gewerkschaft für die Rechte von Hunderten von Vertragsarbeitern/arbeiterinnen der Fabrik.

Als Vergeltungsmassnahme gegen prekäre Arbeiter/innen, die ihre Rechte forderten, beendigte die Betriebsleitung Ende September die Beschäftigung von insgesamt 250 Vertragsarbeitern/innen; 107 dieser Arbeitnehmer/innen bleiben entlassen. Beschäftigte, die wegen ihrer Lage protestierten, sind heftig angegriffen worden, und 80 Vertragsarbeitern/innen droht jetzt eine Klage wegen der Verteidigung ihres legitimen Rechts auf eine direkte und feste Anstellung, wie auch Mohammad Hussein Bhatti.

Die Nestlé-Betriebsleitung hat Bhatti nie leiden können, der seit 1997 in der Fabrik gearbeitet hat und sich während dieser Zeit nie hat etwas  zu Schulden kommen lassen – bis er 2006 seine Kandidatur für die Stelle des Gewerkschaftsvorsitzenden bekanntgab. Die Betriebsleitung versuchte ständig, dies zu verhindern, und fälschte Unterschriften in Gerichtsanträgen, verletzte eine Reihe von gerichtlichen Anordnungen, versuchte, die Wahlergebnisse rückgängig zu machen, und entließ Bhatti, nachdem all dies fehlgeschlagen war. Aufgrund einer gerichtlichen Anordnung wurde er wieder eingestellt und ist Vorsitzender der Gewerkschaft der Kabirwala-Beschäftigten geblieben.

Dann kam es aber noch schlimmer, als die Gewerkschaft im September 2010 auf einer allgemeinen Mitgliederversammlung beschloss, ihre Mitgliedschaft auf Gelegenheitskräfte auszuweiten, und die Satzungsänderungen bei dem für Gewerkschaften zuständigen Registrator einreichte. Im Dezember billigte der Registrator die neue Satzung der Gewerkschaft. Im Februar 2011 begann die Gewerkschaft, Hunderten der prekären Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen  der Fabrik dabei zu helfen, eine Festanstellung zu erlangen, indem sie Klagen beim Arbeitsgericht einreichte. Nach pakistanischem Recht haben Arbeitnehmer/innen, die seit neun Monaten beschäftigt sind, den gesetzlichen Anspruch auf Übernahme in ein direktes festes Arbeitsverhältnis.

In den Anträgen wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmer/innen zwar formell von dem Auftragnehmer M. Ramzan and Sons beschäftigt werden, dass Nestlé aber die Mittel für die Zahlung ihrer Löhne bereitstellt, eine Regelung, mit der Nestlé Pakistan Steuern und sonstige Verpflichtungen umgehen will. Die Arbeiter/innen werden täglich auf der Basis keine Arbeit, kein Geld beschäftigt, mit niedrigeren Löhnen und begrenzten Leistungen im Vergleich zu den festangestellten Beschäftigten der Fabrik.

Über 31 mit Hilfe der Gewerkschaft eingereichte Anträge stellten 199 Beschäftigte am 8. Februar einen Antrag auf Festanstellung. Am gleichen Tag erließ das Gericht „stay orders“, die es dem Unternehmen untersagten, ihren Beschäftigungsstatus zu ändern, d.h. sie als Vergeltungsmaßnahme zu entlassen. Im Mai stellte eine zweite Gruppe von 58 Beschäftigten beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Änderung des Beschäftigungsstatus. Das Gericht erließ Anordnungen, die das Unternehmen an der Entlassung dieser Beschäftigten hinderten.

Das gefiel weder Nestlé noch den Auftragnehmern, daher stellten Nestlé und die Auftragnehmer im Mai gemeinsam einen Antrag auf Aufhebung der Anordnungen. Der Antrag wurde abgewiesen. Trotzdem wurde 35 Beschäftigten am 9. Juni gekündigt – von der Nestlé Betriebsleitung. Als die Beschäftigten gegen diese unrechtmäßigen Kündigungen protestierten, ging man mit Gewalt gegen ihre Kundgebung vor.

Am 27. Juli ordnete das Arbeitsgericht die Wiedereinstellung der 35 Arbeiter/innen an. Die Betriebsleitung ignorierte die Anordnung des Gerichts und beendete die Beschäftigung von insgesamt 250 Gelegenheitsarbeitern/innen, 107 bleiben entlassen.

Die Polizei verhaftete den Gewerkschaftsvorsitzenden Bhatti am 29. September aufgrund falscher Anschuldigungen (siehe unten). Als die Beschäftigten zu seiner Unterstützung demonstrierten, wurde gegen 80 Personen und 120 namentlich nicht genannte Personen Haftbefehl wegen Protestierens und Verkehrsbehinderung erlassen. In der Nacht wurden die Wohnungen von Beschäftigten durchsucht, dabei wurden viele verhaftet und solange festgehalten, bis sie eine Kaution in Höhe von mehr als USD500 gestellt hatten.

Über 80 Arbeiter/innen und der Gewerkschaftsvorsitzende sind derzeit gegen Kaution auf freiem Fuß. Am 10. Oktober wurde Bhatti von seiner Stelle suspendiert, und er ist seitdem wiederholt suspendiert worden. Er darf die Fabrik nicht betreten.

Muhammad Ashfaq Butt, der seit 5 Jahren in der Kabirwala-Fabrik als Vertragsarbeiter beschäftigt ist, beschreibt ihren Kampf für ihre Rechte und die dadurch ausgelösten erbitterten Unterdrückungsmaßnahmen:

„Ich trat bei Nestlé als Gehilfe ein und wurde nach zwei Jahren zum Maschinisten befördert. Als Vertragsarbeiter leisteten wir Überstunden, wenn uns gesagt wurde, dass dies notwendig sei, wir wurden aber nie dafür bezahlt. Als wir die Bezahlung der Überstunden verlangten und erklärten, sonst keine Überstunden mehr leisten zu wollen, drohte man uns mit dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der Auftragnehmer registrierte so viele Arbeitskräfte, dass kaum jemand in einem Monat jemals auf 26 Arbeitstage kam. Das System steckt voller Bestechung und Korruption.

„Ich war aktiv beteiligt, als die Gewerkschaft ihre Satzung änderte und uns im September 2010 Gelegenheit gab, ihr beizutreten. Zu der Zeit verhandelte die Gewerkschaft über ihre Charta der Forderungen. Am 14. Oktober erklärte mir der Schichtleiter: „Da du für die Gewerkschaft arbeitest und die Beschäftigten provozierst, sind die Fabriktore für dich ab morgen geschlossen“. Im November reichte ich eine Klage beim Arbeitsgericht ein und wurde mit voller Entgeltnachzahlung wieder eingestellt. Als ich zur Fabrik ging, fing mich der Personalleiter am Eingang ab und erklärte mir unter Missachtung der gerichtlichen Anordnung „Du wirst in dieser Fabrik nicht arbeiten“. Die Betriebsleitung erhob Einspruch gegen meine Wiedereinstellung, und seitdem hat es eine Reihe von Einsprüchen, Überprüfungen und Anträgen wegen Missachtung des Gerichts gegeben, weil die Betriebsleitung, jedes Mal wenn sie angewiesen wurde, mich wieder einzustellen, dies abgelehnt hat.

„Während dieser Zeit bin ich von der Polizei, von Schlägern und von der Betriebsleitung bedroht worden. Die Polizei hat sich meiner Familie und meinen Verwandten genähert und auch sie bedroht. Die Betriebsleitung hat viele falsche Anklagen gegen mich erhoben, damit die Polizei Druck ausübt. Am 5. September war ich mit meinem Motorrad auf dem Nachhauseweg, als drei Personen mich verfolgten und alle meine Gerichtsdokumente an sich nahmen und mir mein Mobiltelefon, meine Brieftasche und mein Motorrad entrissen. Bevor sie verschwanden, warnten sie mich, ich solle der Nestlé-Fabrik fern bleiben und die Klagen zurückziehen.

„Am 24. September reichte ich eine weitere Klage wegen Missachtung des Gerichts gegen den Personalleiter ein, weil er mich nicht wiedereingestellt hatte. Am 26. September gab der High Court meiner Klage statt und wies den Personalleiter an, die Gründe darzulegen. Am nächsten Tag aber rief er einige Beschäftigte zu sich in sein Büro, behauptete später, sie hätten ihn angegriffen, und reichte eine Beschwerde bei der Polizei ein, wonach auch ich und der Gewerkschaftsvorsitzende an dem Vorfall beteiligt gewesen seien. Die Polizei nannte in der Beschwerde gegen mehr als 80 Beschäftigte am 29. September auch meinen Namen. Ich wurde am 1. Oktober verhaftet und blieb 16 Tage im Gefängnis, bis ich eine Kaution stellen konnte.

„Die Betriebsleitung hat mich in 4 polizeiliche Anzeigen verwickelt, und in allen vier Fällen bin ich gegen Kaution auf freiem Fuß. Die Betriebsleitung versucht alles Mögliche, um meine Kautionen zu annullieren, weil sie mich auf dem Gelände der Fabrik nicht sehen will“.

'Gutes Essen, gutes Leben'? Nicht wenn man für Nestlé Kabirwala arbeitet und seine Rechte einfordert. Stoppt Nespressionen auf pakistanische Molkereibeschäftigte!

Hier klicken, um eine Botschaft an Nestlé zu schicken, in der ein Ende der Kriminalisierung der für ihre Rechte kämpfenden Gelegenheitsarbeitskräfte gefordert wird. Die Konzernleitung in Vevey muss jetzt Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Klagen gegen die Vertragsarbeiter/innen in Kabirwala fallengelassen werden und dass diejenigen, die entlassen worden sind, wieder eingestellt und gemäß dem Gesetz in ein direktes festes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Die Anklagen gegen den Gewerkschaftsvorsitzenden Bhatti müssen fallen- gelassen werden, und die Betriebsleitung muss aufhören, sich in die gewerkschaftlichen Angelegenheiten einzumischen.