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Financial Times deckt komplexes Steuervermeidungsgeflecht bei Cadbury auf – es ist an der Zeit, Mondelez und die Schuldenförderung unter die Lupe zu nehmen

25.06.13 Editorial
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Am 21. Juni veröffentlichte die englische Financial Times das Resultat einer umfassenden Recherche der komplizierten Steuervermeidungsmethoden durch Cadbury, bevor das Unternehmen 2010 vom damaligen Kraft Foods Konzern, dem heutigen Snackfood-Riesen Mondelez übernommen wurde. Die FT deckte unterschiedliche Methoden auf, die weit über den inzwischen allseits bekannten Rückzug in die so genannten Steueroasen hinausgeht. Dabei wurden Transaktionen mit Decknamen wie "Martini" ausgeheckt, bei denen Briefkastenfirmen mit improvisierten und als Darlehen getarnten Finanzpapieren handelten, um fingierte Zinskosten zu erzeugen. Infolge dieser Machenschaften gelang es Cadbury, für seine Betriebe im VK, die einen Umsatz von über einer Milliarde Pfund und Gewinne von 100 Millionen Pfund erwirtschafteten, gerade einmal 6,4 Millionen Pfund an Steuern zu entrichten.

Nicht lange nach der Übernahme verlegten die neuen Eigentümer von Cadbury das Cadbury-Hauptquartier in die steuergünstige Schweiz, wo das Mutterhaus den Verkauf von Produkten als steuergünstige ‚Lizenzgebühren’ verbuchen kann, die aus dem Besitz geistigen Eigentums bezogen werden und nicht aus dem Verkauf von tatsächlichen Produkten. Die Financial Times vermutet, dass der infolge dieses Schritts befürchtete Verlust an Staatseinnahmen überbewertet wurde, da das Unternehmen sein Steueraufkommen ohnehin bereits verringert hatte. Hat sich eigentlich irgendjemand die Akten angesehen und sich wirklich davon überzeugt?

Zugegeben, angesichts der Komplexität der von der FT aufgedeckten Machenschaften ist das kein einfaches Unterfangen. Im Lichte des jüngsten G8-Gipfels über Steuerhinterziehungen wäre es jedoch eine lehrreiche Übung.

Briefkastenfirmen auf den Cayman-Inseln und anderswo sind nur ein Teil der Geschichte. Aus den Recherchen der FT geht klar hervor, dass sowohl die Expansion Cadburys wie auch das geringe Steueraufkommen über steuerlich absetzbare Schulden liefen. So wie Cadbury wuchs auch Kraft, indem es Schulden aufnahm und mit dem geliehenen Geld seine Aktien zurückkaufte, die Dividenden erhöhte, die Managergehälter in groteske Höhen trieb und Steuern minimierte, ohne neues Eigenkapital aufzubringen. Die Verschuldung nahm jedoch eine völlig neue Dimension an, als der viel größere und ohnehin schon schwer verschuldete Kraft-Konzern noch mehr Schulden aufnahm, um Cadbury zu schlucken. Bei der ersten aufsichtsbehördlichen Einreichung (Link in Englisch) durch das neue Unternehmen, die erst erfolgte, nachdem sich das nunmehr rein nordamerikanische Unternehmen Kraft abgespaltet hatte, wurde eine Bilanz vorgelegt, die eine langfristige Verschuldung von 22,09 Milliarden US-Dollar gegenüber einem Eigenkapital von 25,29 Milliarden US-Dollar auswies – das entspricht einem Verschuldungsgrad von 87,3%! Die Zinsen dieser Schulden werden von den Mondelez-Beschäftigten auf der ganzen Welt bezahlt (www.screamdelez.org).

Eine Steuerregelung, die Schulden gegenüber Eigenkapital begünstigt, hat dem Steuerparadies Tür und Tor geöffnet und sorgt dafür, dass die öffentlichen Einnahmen immer geringer werden. Regierungen und Treffen wie die G8 sollten diesem absurden Fördermodell ein Ende bereiten, wenn es ihnen wirklich ernsthaft darum geht, die öffentlichen Gelder vor den Konzernhaien zu retten.