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Der "Nescafé-Plan": Der Käufer sei gewarnt

06.09.10 News
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Nestlé hat mit typischem Medienrummel einen zehnjährigen "Nescafé-Plan" angekündigt, um dem Unternehmen dabei zu helfen, "seine Kaffee-Lieferkette weiter zu optimieren". Nestlé plant, das Volumen des unmittelbar von Farmern bezogenen Kaffees in den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln. Der Plan umfasst auch eine spezifische Nespresso-Komponente - alles andere als eine Überraschung, ist doch Nespresso Nestlés am schnellsten wachsende Marke.

Dass Nestlé bestrebt ist, die unmittelbare Kontrolle über seine Kaffee-Lieferkette auszudehnen, stellt wohl keine Neuigkeit dar. Der Preis für Kaffeebohnen hat ein Dreizehnjahreshoch erreicht; die Kaffee-Terminkontrakte sind in den letzten drei Monaten um 35% gestiegen, was bedeutet, dass es den Händlern und Spekulanten besser geht als den Röstern. Gerade deswegen ist der Nescafé-Plan in die Sprache der "Nachhaltigkeit" gekleidet. Laut Konzernchef Bulcke "schafft Nestlé einen gemeinsamen Wert für seine Aktionäre und die Gemeinwesen, in denen es tätig ist." Nestlé verpflichtet sich, die Nachhaltigkeitsstandards im Kaffeeanbau einzuhalten, die Farmer mit technischer Hilfe und Mikrofinanzierungsprogrammen zu unterstützen und die Umweltbelastung seiner Fabriken zu reduzieren.

Echte Bemühungen um die Verbesserung der Lage der kleinen Kaffeebauern – eine von den Preisschwankungen, der Käuferkonzentration und der Umweltzerstörung besonders hart getroffene Gruppe - sind natürlich zu begrüssen. Wird der "Nescafé-Plan" für Abhilfe sorgen? Aufgrund der Erfahrung ist Vorsicht angesagt; die Farmer des "Nescafé-Plans" werden nach wie vor sämtliche Risiken tragen.

Nestlés vor kurzem veröffentlichter Bericht "Gemeinsame Wertschöpfung" beispielsweise rühmt die wachsende Zahl von Milchprodukterzeugern, von denen es in zunehmendem Mass unmittelbar beliefert wird, äussert sich aber nicht zu dem tatsächlichen Inhalt dieser Beziehungen und dazu, wie sie in der Praxis funktionieren. Trotz Nestlés falscher Behauptung, dass der Bericht den Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Globalen Berichterstattungsinitiative entspricht (siehe IUL stuft CSR-Rating von Nestlé von B+ auf Schrottniveau herab), enthält der Bericht keine inhaltlichen Informationen zu den Arbeitsbedingungen entlang seiner riesigen landwirtschaftlichen Lieferkette - und kein Wort zur Kinderarbeit im Kaffeeanbau oder zur Lage der vielen Wanderarbeitnehmer, von denen die globale Kaffee-Ernte abhängt.

Nestlé besitzt 12 Nescafé-Fabriken in Kaffeeanbauländern. Laut dem Plan werden alle diese Fabriken bis 2015 mit "nachhaltig erzeugtem" Kaffee beliefert werden. Wie steht es mit den Arbeitskräften, die den Kaffee verarbeiten? Der Plan sagt nichts dazu, was nachhaltiger Kaffee für deren Arbeitsplätze und Lebensunterhalt bedeutet. Wie kann Nestlé bis 2015 den "international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards" gerecht werden, wenn es sich nicht darum schert, die international anerkannten Arbeitsnormen der IAO in den Fabriken einzuhalten, die die Nescafé-Kaffeegläser, -packungen und -beutel herstellen?

Wenn Nestlé von der "Optimierung der Lieferkette" redet, schliesst das die Gründung einer Gewerkschaft unter der Kontrolle der Betriebsleitung ein wie im Fall seiner Nescafé-Fabrik in Panjang, Indonesien, um die gesetzlich anerkannte Gewerkschaft bei Nestlé Panjang zu unterlaufen? Ist die Weigerung, mit der rechtmässigen Gewerkschaft zu verhandeln, falls die von der Betriebsleitung kontrollierte Gewerkschaft nicht an den "Verhandlungstisch" gebeten wird, Teil des "Nescafé-Plans"?

Die Gewerkschaft bei Nestlé Panjang hat in den letzten drei Jahren für die Wahrung der grundlegenden Gewerkschaftsrechte gekämpft. Ihr Kampf geht weiter mit oder ohne einen "Nescafé-Plan".

Die stark schwankenden Preise für Kaffeebohnen und die damit verbundenen Risiken der Warenterminkontrakte können ein Loch in die Unternehmensbilanzen reissen. Niemand sollte eine Strategie zur Diversifizierung von finanziellen Risiken mit nachhaltigen, auf international anerkannten Arbeitsnormen, den Übereinkommen der zu den Vereinten Nationen gehörenden IAO, fussenden Praktiken verwechseln.

Wenn es um gemeinsame Wertschöpfung geht, sind manche "Stakeholder" und ihre Gemeinschaften eindeutig gleicher als andere. Die 500 Millionen Schweizer Franken, die während der zehnjährigen Laufzeit des "Nescafé-Plans" vorgesehen sind, sollten gegen die mehr als 9 Milliarden abgewogen werden, die allein für 2010 für den Rückkauf von Nestlé-Aktien bereitgestellt worden sind. Wenn sie glaubwürdig sein sollen, dann sollten die Bemühungen um die Verbesserung der Standards für die Frauen und Männer, die den Kaffee, den wir trinken, anbauen, ernten und verarbeiten, über die Grünwäsche hinausgehen.