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Gerichtsverfahren gegen Monsanto

25.07.18 Editorial
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StopglyphosateDas Gerichtsverfahren im Fall Dewayne Johnson v. Monsanto Co. ist jetzt vor einem kalifornischen Bundesgericht in San Francisco eröffnet worden, zweieinhalb Jahre nach Einreichung der Klage. Johnson, ein ehemaliger Schulplatzwart, der nach Einschätzung seiner Ärzte nicht mehr lange zu leben hat, trat seine Stelle im Jahr 2012 an. Die Tätigkeit war mit regelmässigen Einsätzen des Herbizids Roundup von Monsanto verbunden, dessen aktiver Inhaltsstoff Glyphosat ist. Im Jahr 2014, als er 42 Jahre alt war, wurde bei ihm der seltene Blutkrebs Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert.

Der Fall ist in mehrfacher Hinsicht aussergewöhnlich. Der den Vorsitz führende Richter hat entschieden, dass die Geschworenen bei der Urteilsfindung die nachgewiesenen Bemühungen von Monsanto zur Verschleierung der potenziellen Giftigkeit des Produkts berücksichtigen dürfen. Abgesehen vom Fall Johnson sind mittlerweile bei US-Gerichten rund 4000 Klagen eingegangen, in denen behauptet wird, dass die Exposition gegenüber Glyphosat zum Non-Hodgkin-Lymphom geführt hat. Praktisch jedes bedeutende Agrochemie- Unternehmen verkauft eine Glyphosat-Rezeptur. Und Monsanto ist jetzt vollständig im Besitz des deutschen Konzerns Bayer. Der Umfang einer möglichen Haftung der Glyphosat-Hersteller ist daher enorm.

In der Klage von Johnson wird geltend gemacht, dass Monsanto "gefälschte Daten propagiert und legitime Untersuchungen" der toxischen Wirkungen von Glyphosat "attackiert hat" und eine "anhaltende Desinformationskampagne" durchgeführt hat, um Regierungen, Verbraucher und Landwirte davon zu überzeugen, dass das Produkt ungefährlich ist.

Monsanto hat seine Glyphosat-Rezepturen seit ihrer Markteinführung in den 1970er Jahren als unschädlich beworben.  Die Werbung wurde in den 1990er Jahren intensiviert, als der Glyphosatumsatz mit der Einführung von Monsantos genetisch veränderten Soja-, Mais-, Baumwoll-, Raps- und Zuckerrübensorten, um sie gegenüber Glyphosat resistent zu machen, in die Höhe schoss. Die Desinformationskampagne wurde aber verstärkt, nachdem die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation im März 2015 einen Bericht veröffentlicht hatte, in dem Glyphosat "als für Menschen wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wurde.

Interne Unterlagen des Konzerns, die von Johnsons Anwälten erlangt worden waren, wurden im März 2017 in einem vorgerichtlichen Verfahren veröffentlicht. Sie bildeten die Grundlage des Enthüllungsberichts 'The Monsanto Papers', der im Juni 2017 von Le Monde veröffentlicht wurde (auf Englisch hier abrufbar und hier). Im August 2017 wurden weitere Unterlagen entsiegelt und veröffentlicht (sie sind hier auf Englisch abrufbar).

Die erweiterten Monsanto Papers belegen grosszügig finanzierte, systematische Bemühungen, die Arbeit der IARC zu diskreditieren und letztlich die Finanzierung abzuwürgen, und zwar über ein Netzwerk von Propagandisten, Frontgruppen und rechtsgerichteten 'Denkfabriken', die der Chemie-, Agrochemie- und Nahrungsmittelindustrie und deren Lobbyisten verbunden sind.  Monsanto bedrohte unabhängige Wissenschaftler, liess von Ghostwritern verfasste Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen und schüchterte Regulierungsstellen auf allen Ebenen ein und versuchte (oft erfolgreich), sie für sich einzunehmen. Mit Beginn der Tätigkeit der Trump-Administration und einer US-Umweltschutzbehörde, die sich der Abschaffung des Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzes und des Umweltschutzes verschrieben hat, wuchs die Kampagne sich zu einer breiteren Attacke auf die öffentliche Gesundheit, die Toxikologie und die Krebsforschung aus. Die Monsanto Papers offenbaren die organisatorischen Verknüpfungen zwischen den Glyphosataktivitäten und den Bemühungen des Unternehmens, die Regulierung der anderen Gifte, die unsere Arbeitsstätten und unser Leben durchdringen, zu bekämpfen.

Monsanto hat seine Offensive gezielt ausgeweitet und versucht, Kritiker der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Anfang dieses Jahres forderten die Monsanto-Anwälte im Zusammenhang mit einer anderen, ähnlichen US-Klage gegen den Konzern, dass die Online-Kampagnenorganisation Avaaz alle internen Mitteilungen, in denen der Konzern oder Glyphosat erwähnt wird, "ohne Einschränkung" herausgeben soll.

Mitglieder des Europäischen Parlaments beraumten letzten Oktober eine spezielle Anhörung an, um im Licht des ersten Teils der Monsanto Papers die regulatorischen Überprüfungsprozesse der Europäischen Union zu bewerten. Dies hat die Wiederzulassung von Glyphosat einen Monat später nicht verhindern können. In Anbetracht dessen, dass neue Konzernunterlagen öffentlich bekannt sind, sollten die Anhörungen erneut anberaumt werden, in Europa und weltweit.