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Offensive der Leiharbeitsagenturen auf dreigliedriger IAO-Tagung zurückgeschlagen

31.10.11 News
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Am 18. und 19. Oktober versammelten sich Vertreter/innen der Gewerkschaften, der Regierungen und der Lobby der privaten Beschäftigungsagenturen in Genf zu einer dreigliedrigen IAO-Tagung über „Die Rolle der privaten Beschäftigungsagenturen bei der Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen und menschenwürdiger Arbeit im privaten Dienstleistungssektor“. Es gelang der Tagung nicht, sich auf gemeinsame Punkte zu einigen – was nicht weiter verwundert angesichts der Kluft, die sich zwischen den Gewerkschaften, die darum bemüht sind, die Arbeitnehmer/innen vor der zerstörerischen Auswirkung der Leiharbeit zu schützen, und einer Agenturlobby auftat, die die IAO für ihre eigenen Ziele einspannen möchte und darauf aus ist, sich einen immer größer werdenden Marktanteil einzuverleiben.

Die Vertreter der nationalen Verbände der größten globalen Arbeitsvermittlungsagenturen zogen ein sorgfältig choreographiertes Programm durch, das sich auf die Aussagen von Arbeitgebern stützte, um ihre eigenen Behauptungen zu untermauern, wonach die Agenturen Arbeitsplätze schaffen, „die es andernfalls gar nicht gäbe“ (ohne zu erklären, wie es kommt, dass von keiner „Schaffung von Arbeitsplätzen“ gesprochen wird, wenn Regierungen Arbeitnehmern/innen zu Arbeitsplätzen verhelfen); dass eine „gut regulierte“ Leiharbeit tatsächlich mehr Schutz und auch mehr Sicherheit bietet als die von ihr zusehends verdrängte direkte Dauerbeschäftigung; dass die Leiharbeit die direkte Beschäftigung weder untergräbt noch ersetzt, sondern „ergänzt“; dass das Wachstum ihres Geschäftszweiges gleichbedeutend ist mit einem Wachstum an menschenwürdiger Arbeit; dass sie einen eigenständigen „Sektor“ bilden, auch wenn sie in buchstäblich jedem Sektor präsent sind (und somit die Ansprechpartner bei den Kollektivverhandlungen in allen Sektoren, in denen sie tätig sind); dass Dreiecksbeziehungen im Beschäftigungsverhältnis an sich nicht problematisch sind und die Leiharbeit – sobald die „Schurkenagenturen“ beseitigt sind – für den Schutz der Rechte und Interessen der Arbeitnehmer/innen daher auch keine eigenen Probleme schafft; und dass mit der Ratifizierung des IAO-Übereinkommens Nr. 181 über private Arbeitsvermittler (das den Regierungen in Wirklichkeit ermöglicht, ihre Tätigkeiten einzuschränken) menschenwürdige Arbeit gewährleistet ist.

Aufgrund des strikten zeitlichen Ablaufs der Tagung blieb der Arbeitnehmergruppe leider keine Zeit für die Frage, ob der Ersatz der gesamten direkten Beschäftigung durch Leiharbeiter zu einer menschenwürdigeren Arbeit und einem besseren Schutz der Arbeitnehmerrechte führen würde …

Die Arbeitnehmergruppe setzte sich zwar formell aus Vertreter/innen der IUL und UNI zusammen, stand aber auch den anderen globalen Gewerkschaftsverbänden offen, da Leiharbeit alle Beschäftigten in allen Sektoren betrifft; somit gehörten ihr Gewerkschafter/innen aus aller Welt an. Sie legten Zeugnis von der zersetzenden Wirkung der Leiharbeit ab, die die Löhne und Arbeitsbedingungen untergräbt und es einer wachsenden Anzahl von Arbeitnehmer/innen auf der ganzen Welt nur noch begrenzt bzw. ganz unmöglich macht, Gewerkschaften beizutreten und mit ihren tatsächlichen Arbeitgebern, d.h. den Klienten der Agenturen (den „Nutzerunternehmen“) effektive Verhandlungen über ihre Beschäftigungsbedingungen zu führen. Die Arbeitnehmergruppe wies wiederholt darauf hin, dass bei der Leiharbeit die eigentliche Verhandlung zwischen den Nutzerunternehmen und den Agenturen stattfindet, wodurch echte Kollektivverhandlungen effektiv ausgeschlossen würden. Eine aussagekräftige Kollektivverhandlung, argumentierte die Arbeitnehmergruppe gegenüber den Arbeitgebern, Regierungen und der IAO, erfordert eine aussagekräftige Verhandlungsbeziehung, in die Nutzerunternehmen und Gewerkschaften eingebunden sind, die die Arbeitnehmer/innen in diesen Unternehmen bzw. Sektoren vertreten.

Der Vorsitzende der Tagung (die offiziell Globales Dialogforum heißt), ein erfahrener Schweizer Diplomat, konzentrierte sich auf die inhärent problematische Art der Dreiecksbeziehung im Beschäftigungsverhältnis als entscheidenden Punkt, der allen Aspekten der Beschäftigung durch Agenturen und Arbeitnehmerrechten zugrunde liegt. In letzter Minute verweigerten die Arbeitgeber die Diskussion der von ihm vorgeschlagenen Übereinstimmungs- und Nichtübereinstimmungspunkte als Grundlage für die Schlussfolgerungen und bestanden stattdessen darauf, lediglich eine eingeschränkte, selektive Anzahl von Punkten für die Schlussfolgerung zur Debatte zu stellen. Die Tagung brachte daher keine Schlussfolgerungen zustande, erwies sich aber dennoch als ausgesprochen nützlich, da die Grundprobleme sichtbar wurden, die die Arbeitnehmer/innen und die Agenturen voneinander trennen – und damit die Notwendigkeit, dass sich die IAO ernsthaft damit beschäftigt (siehe Gewerkschaften fordern umfassende Maßnahmen der IAO gegen prekäre Beschäftigung). Den Wortmeldungen der Regierungsvertreter war ebenfalls zu entnehmen, dass die Sorgen, was die wachsende Leiharbeit betrifft, von zumindest mehreren öffentlichen Behörden geteilt werden.

Die Agenturen weiten ihr globales Lobbying aus (siehe Die globale Offensive der Zeitarbeitsunternehmen zurückschlagen) und sie werden zur IAO zurückkehren. Ebenso werden sie ihr Lobbying bei den nationalen Regierungen fortsetzen, um die Voraussetzungen für ihre Expansion zu schaffen. Ihre jüngste Publikation beschreibt ihren Verband Ciett als „das Sprachrohr für die Wahl der Arbeit“, ein Mantra, das bei den zweitägigen Verhandlungen wiederholt beschworen wurde; da sich die Arbeitnehmer immer öfter für Zeitarbeit entscheiden, erfüllen die Agenturen eine ganz bestimmte Verbrauchernachfrage …

Unterdessen konzentrieren sich immer mehr Gewerkschaften auf allen Ebenen darauf, die Invasion der Leiharbeit zu bekämpfen; ihre Mittel sind die Organisierung und die Kollektivverhandlung sowie die Suche nach politischen Mechanismen, um Umfang und Dauer der Leiharbeit einzuschränken. Die Arbeitnehmergruppe forderte auf der Tagung wiederholt, dass die Leiharbeit aus ihrer „sektoralen“ Zwangsjacke bei der IAO befreit und in einen Kontext gestellt werden müsse, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber aller Sektoren einbindet. In den Worten des Vorsitzenden der Tagung, „alle Akteure“ müssen eingebunden werden.