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Aqua Star, Audits und eine Gewerkschaftsführerin im Gefängnis

29.07.19 Feature
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Niemand übertrifft die Standards, die wir uns selbst setzen
Aqua Star


Die Versäumnisse von Sozialaudits, die vordergründig dazu dienen, die Einhaltung von Mindeststandards durch Lieferanten zu bewerten, sind bekannt. Rana Plaza war überprüft und als konform mit den Sicherheitsstandards zertifiziert worden, die von den Einzelhändlern festgesetzt wurden, die in einem Gebäude einkauften, das zu einem Massengrab wurde. Die IUL stellt immer wieder eklatante Menschenrechtsverletzungen in Betrieben fest, die von den Prüfern als den höchsten Standards entsprechend eingestuft wurden.

Audits sind der Wall der Unternehmen gegen das unmittelbare Engagement mit den Gewerkschaften, das durch die in den OECD-Leitsätzen festgelegten Verfahren menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht vorgeschrieben ist. Die Verfahrensleitlinien sind eindeutig: wenn es um Arbeitnehmerrechte geht, kann die Verantwortung nicht zu 100% ausgelagert werden. Die Unternehmen sollten mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, um die Risiken nachteiliger menschenrechtlicher Auswirkungen zu ermitteln, ihnen vorzubeugen und Abhilfemassnahmen zu treffen, wenn es zu Rechteverletzungen kommt. Wenn sie aber mit Beweisen für Menschenrechtsverletzungen konfrontiert werden, reagieren sie unweigerlich mit der Behauptung, dass alles in Ordnung ist und die Audits es beweisen.

Seit vielen Jahren prangert die IUL missbräuchliche Beschäftigungsbedingungen bei dem Fisch- und Meeresfrüchteverarbeiter Bumi Menara Internusa (BMI) in Lampung, Indonesien, an, wo die Beschäftigten mithilfe ihrer Gewerkschaft für eine Verbesserung der Bedingungen kämpfen. BMI ist ein Hauptlieferant zahlreicher grosser Fisch- und Meeresfrüchteverarbeiter und –einzelhändler, hauptsächlich in Nordamerika, darunter Aqua Star. Wie vergleichbare Unternehmen “erwartet” Aqua Star von seinen Lieferanten, dass sie die Menschenrechte achten. Zur Steuerung dieser Erwartung “verlangt Aqua Star, dass die Lieferanten sich regelmässigen Sozialaudits durch Dritte unterziehen, um faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und ethische Praktiken sicherzustellen”.

Soweit wir wissen, stellten die Audits keine bedeutende Menschenrechtsverletzung fest, als die Gewerkschaftsführerin bei BMI im Mai diese Jahres auf Betreiben des Unternehmens verhaftet wurde, für die BMI jetzt 6 Jahre Gefängnis fordert. Die Gewerkschaftssekretärin Reni Desmiria legte ein gefälschtes Abiturzeugnis vor, als sie sich vor 8 Jahren bei dem Unternehmen um eine Stelle als Gelegenheitsarbeiterin bewarb. Dies wurde für das Management erst zu einem Problem, als Reni letztes Jahr nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub eine erhebliche Anzahl von Beschäftigten bei der obligatorischen staatlichen Krankenversicherung angemeldet hatte. Zu diesem Zeitpunkt liess das Unternehmen sie verhaften und strafrechtlich verfolgen. Die Behörden gaben an, dass Reni freigelassen werden könnte; BMI bestand aber darauf, dass sie im Gefängnis bleibt und zur Höchstrafe verurteilt wird. Derzeit steht sie vor Gericht.

Die IUL hat dies Aqua Star und anderen BMI-Kunden mitgeteilt und sie auf ihre Verantwortung hingewiesen, ihre Beziehung mit BMI zu nutzen, um diesen brutalen Machtmissbrauch des Unternehmens zur Zerschlagung einer Gewerkschaft zu stoppen. BMI macht sich ein notorisch korruptes Rechtssystem in einem Land mit einer durch Repression gekennzeichneten Vergangenheit zunutze, um eine Gewerkschaftsführerin gerichtlich zu verfolgen und ins Gefängnis zu bringen. Aqua Star und undere Unternehmen, die von BMI beliefert werden, sollten die brutale Realität einer sechsjährigen Gefängnisstrafe für eine geringfügige Straftat und das, was es für ihre “Erwartungen” bedeutet, dringend angehen. Sie sind dafür verantwortlich, zu handeln.

Als die IUL von einem bevorstehenden Aqua Star-Audit in der Fabrik des Unternehmens in Lampung erfuhr, wiesen wir Aqua Star darauf hin, dass die Prüfer mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaftsvertretern sprechen müssten, wenn das Audit glaubwürdig sein soll.

Die Prüfer kamen und gingen, ohne mit den Beschäftigten oder ihren Gewerkschaftsvertretern zu sprechen. Sorgfaltspflicht? Erledigt. Die Prüfer kreuzten die Kästchen an. Und einer mutigen Gewerkschaftsführerin drohen 6 Jahre Gefängnis, weil sie Beschäftigte bei einer Krankenversicherung angemeldet hatte, wozu der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist.

Aqua Star erklärt, “Niemand übertrifft die Standards, die wir uns selbst setzen” – eine zutreffende Beschreibung der Art und Weise, wie Unternehmen weiterhin einseitig das Ausmass ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen bestimmen. Die IUL setzt ihren Kampf für Renis Freiheit mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln fort.