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Handelsabkommen und der Griff der Konzerne nach der Macht durch das TPP – der Widerstand muss weitergehen!

27.01.16 Editorial
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Nach achtjährigen geheimen Verhandlungen werden die Regierungen am 4. Februar in Neuseeland das 12 Staaten* umfassende Transpazifische Partnerschaftsabkommen unterzeichnen. Der Vertragstext, der erst im November letzten Jahres veröffentlicht worden ist, bestätigt, was Kritiker des Abkommens immer wieder geltend gemacht haben, seit Teile der Kapitelentwürfe durchsickerten und sogar schon früher, da die Konzerne bei der Darlegung ihrer Ziele nie ein Blatt vor den Mund genommen haben. Das TPP in seiner Endfassung zeigt, dass die Konzerne bekommen haben, was sie wollten: ein Handelsabkommen, das die Demokratie gefährdet.

Das TPP bestätigt weitgehende neue Befugnisse für transnationale Investoren, kodifiziert in ihrem “Recht”, Regierungen vor geschlossenen Schiedsgerichten wegen Gesetzen, Vorschriften, Gerichtsentscheidungen oder Massnahmen zu verklagen, die ihren “Erwartungen” als Investoren nicht gerecht werden – das berüchtigte Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS). Gemäss ähnlichen Handels- und Investitionsverträgen ist das ISDS von Konzernen mit Erfolg in Anspruch genommen worden, um die staatliche Befugnis anzufechten, die Herstellung, den Transport und die Entsorgung von giftigen Chemikalien zu verbieten oder einzuschränken, die Bewirtschaftung von Land- und Wasserressourcen zu genehmigen, alternative Energien zu fördern, die Gebühren für die Wasser- und Stromversorgung festzusetzen, Staatsschulden umzustrukturieren, toxische Pestizide zu beseitigen, Lebensmittelsicherheitsstandards aufrechzuerhalten und Unternehmen die ordnungsgemässe Kennzeichnung der von ihnen vermarkteten Erzeugnisse vorzuschreiben. Das TPP kodifiziert die toxischsten Merkmale dieses Mechanismus und enthält eine elastische Definition von “Investition”, die transnationalen Eigentümern von Aktien, Schuldverschreibungen, spekulativen Finanzinstrumenten wie Derivaten, Lizenzen, Franchisen, Genehmigungen und geistigem Eigentum aussergesetzliche rechtliche Befugnisse verleiht. Der Vertrag erweitert den Spielraum für ISDS-Klagen um Finanzdienstleistungen und gewährt transnationalen Investoren das Recht, Regelungsmassnahmen anzufechten, die ihren “Erwartungen” oder einem “Mindestbehandlungsstandard” nicht entsprechen. Dies ist ein Rammbock, um selbst die bescheidensten Massnahmen, die im Gefolge der Finanzkrise von 2008 getroffen worden sind, oder erhebliche Verbesserungen dieser Massnahmen zu vereiteln, womit der Weg freigemacht wir für neue Bankenkrisen.

Das Kapitel über geistiges Eigentum erweitert die Dauer und den Umfang des bestehenden Urheber- und Patentschutzes und lässt unter Umständen Klagen gegen die staatliche Preis- und Beschaffungspolitik im Zusammenhang mit lebensrettenden Medikamenten zu. Die Unterzeichnerstaaten sind zur Unterzeichnung eines Vertrags verpflichtet, des Internationalen Übereinkommens von 1991 zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, das Konzernen das “Recht” gewährleistet, jede Pflanzenart patentrechtlich schützen zu lassen, und Bauern den Austausch dieses Saatguts verbietet. Andere Bestimmungen gestatten es Konzernen, die öffentliche Aufsicht über die Biotechnologie anzufechten, und schwächen damit den Widerstand gegenüber einer weiteren Verbreitung (patentgeschützter) genetisch veränderter Pflanzen und ihrer entsprechenden Pestizide.

Die Regelung inländischer Dienstleistungen, die Gegenstand des Abkommens sind, ist vor Klagen der Investoren nur insoweit geschützt, als sie “in angemessener, objektiver und unparteiischer Weise” geregelt werden. Das TPP enthält zwar kein Kapitel über das staatliche Beschaffungswesen, die Unterzeichner sind aber verpflichtet, innerhalb von drei Jahren Verhandlungen über einen “erweiterten Erfassungsbereich” aufzunehmen.

Das TPP geht über die derzeitigen WTO-Vertragsregeln weit hinaus und selbst über viele Bestimmungen regionaler und bilateraler Handels- und Investitionsabkommen, die “WTO-plus” sind in Bereichen, um deren Eroberung transnationale Investoren sich schon seit langem bemühen, darunter geistiges Eigentum, Finanzdienstleistungen, Ernährung und Landwirtschaft, und Biotechnologie. Es untergräbt das demokratische Recht von Regierungen, Gesetze zu erlassen und im öffentlichen Interesse zu regulieren, und hebelt damit grundlegende Menschenrechte aus, einschliesslich des Rechts auf Nahrung, des Rechts auf Gesundheitsversorgung und des Rechts auf Bildung. Einmal ratifiziert, würde es Bemühungen, mithilfe öffentlicher Investitionen qualitativ gute Arbeitsplätze zu schaffen, eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung zu fördern und den Klimawandel zu bekämpfen, ernsthaft beeinträchtigen.

Der Griff der Konzerne nach der Macht ist in eine Sprache eingebettet, die verspricht, das Recht der Regierungen zur Regulierung im öffentlichen Interesse zu schützen – vorausgesetzt, dass die Regulierung der Marktdisziplin unterworfen ist, den “Erwartungen” der Investoren gerecht wird und “nicht diskriminierend” ist. Tatsächlich können die Regierungen mit dem TPP regulieren, aber nur, wenn sie bereit sind, den transnationalen Konzernen und ihren juristischen Heerscharen Millionen zu zahlen. Das Kapitel über Arbeitnehmerrechte verpflichtet (nur!) drei Länder dazu – Brunei, Malaysia und Vietnam - ,die Kernübereinkommen der IAO in ihre nationale Gesetzgebung einzubeziehen, hat aber im Wesentlichen rhetorischen Charakter und ist nicht durchsetzbar. Das Umweltkapitel, das von der Regierung Obama als das bisher stärkste in einem internationalen Handelsabkommen gerühmt wird, stellt im Vergleich zu anderen US-amerikanischen umweltbezogenen Engagements in Wirklichkeit einen Rückschritt dar. Im Grunde könnte kein Vertrag, der privaten Konzernen derart weitreichende Befugnisse gewährt, durch arbeits- oder umweltrechtliche Schutzklauseln “ausbalanciert” werden, und der Vertragsprozess verpflichtet alle Unterzeichnerstaaten dazu, ihre gesamte nationale Gesetzgebung mit den in dem Abkommen festgelegten Investorenforderungen in Einklang zu bringen. Das TPP und ähnliche Abkommen müssen zu Fall gebracht werden, sie dürfen nicht nur abgeändert oder “verbessert” werden, wenn die Arbeiterschaft ihre eigene Agenda voranbringen will.

Den Gewerkschaften und ihren Verbündeten bietet sich die Gelegenheit, das TPP zu stoppen. Auf die Unterzeichnung muss die Ratifizierung durch die Unterzeichnerregierungen folgen, obgleich eine Ratifizierung durch sechs Länder, deren Wirtschaftsleistung mindestens 60% derjenigen der zwölf Länder beträgt, das Inkrafttreten des Vertrags für diese sechs Länder bewirken kann. Den TPP-Gegnern ist es gelungen, das weltweite Bewusstsein für die zerstörerischen Auswirkungen des Vertrags zu schärfen, und die Wahlen in den USA in diesem Jahr verstärken die Kontroverse und die Ungewissheit um den Ratifizierungsprozess in den USA und den anderen grossen wirtschaftlichen Akteuren. Die Arbeiterbewegung und unsere Verbündeten müssen diese Gelegenheit in vollem Umfang nutzen.
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* Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vereinigte Staaten und Vietnam.