Veröffentlicht: 13/03/2024

Anmerkung von IUL-Generalsekretärin Sue Longley: Während der Krieg in Gaza weitergeht, machen die globalen Gewerkschaftsföderationen auf die Krise aufmerksam, mit der die Beschäftigten in allen Wirtschaftssektoren konfrontiert sind. Mit einer Reihe von Aufsätzen und Artikeln auf unseren Websites wollen wir die verheerenden Auswirkungen des Konflikts auf den Lebensunterhalt, die Sicherheit und das Wohlergehen der arbeitenden Bevölkerung aufzeigen und gleichzeitig auf die dringende Notwendigkeit eines Waffenstillstands hinweisen. Wenn möglich, werden wir Informationen darüber geben, wie Sie Maßnahmen ergreifen können, um diesen Arbeitern in Gaza zu helfen.

Die Angriffe auf systemerhaltende Arbeitnehmer:innen und die zivile Infrastruktur des Gazastreifens sind ein Angriff auf uns alle

Im gesamten Gazastreifen sehen sich die Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes mit Szenen unvorstellbarer Verwüstung konfrontiert: 392 Bildungseinrichtungen sind zerstört; 132 Wasserbrunnen sind außer Betrieb; 24 Krankenhäuser sind außer Betrieb und die übrigen 11 nur teilweise funktionsfähig. Das gesamte Stromnetz ist aufgrund der Beschränkungen für die Einfuhr von Treibstoff und der Unterbrechung von Außenleitungen weiterhin außer Betrieb. Aufgrund des Strommangels mussten Entsalzungs- und Wasseraufbereitungsanlagen geschlossen werden, und das Abwasser fließt offen auf die Straßen. Da es keine Waschgelegenheiten gibt, sind viele Frauen gezwungen, Pillen zu nehmen, um ihre Menstruation hinauszuzögern.

Doch inmitten der Trümmer und Ruinen gibt es sie immer noch. Wasserversorger bemühen sich, nach der Zerstörung von Leitungen und Grundwasserleitern eine Dehydrierung zu verhindern. Ärzte und Krankenschwestern retten Leben und fürchten gleichzeitig um ihr eigenes. Hilfskräfte stehen vor der unmöglichen Aufgabe, eine vertriebene Bevölkerung von der Größe Barcelonas in einer "Sicherheitszone" von wenigen Quadratkilometern zu versorgen und unterzubringen.

Der Gazastreifen ist heute der gefährlichste Ort der Welt, um als Arzt zu praktizieren. Über 340 medizinische Fachkräfte sind dort ums Leben gekommen. Mehr als 150 Angestellte der Vereinten Nationen wurden getötet; dies ist die höchste Zahl von Todesopfern in einem Konflikt in der 78-jährigen Geschichte der Organisation. Der Direktor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, drückt es so aus: "In was für einer Welt leben wir, wenn Menschen nicht mit Nahrung und Wasser versorgt werden können, wenn Gesundheitsfachkräfte bei ihrer lebensrettenden Arbeit der Gefahr ausgesetzt sind, bombardiert zu werden?"

Die Opfer unter der Zivilbevölkerung wurden durch Angriffe auf Einrichtungen wie juristische Vereinigungen, Universitäten, Gewerkschaftszentralen, Telekommunikationseinrichtungen, Straßen, Hochhäuser und sogar UN-Gebäude noch verschlimmert. Einer israelischen Geheimdienstquelle zufolge besteht die Hauptmotivation für solche Angriffe darin, "der Zivilgesellschaft Schaden zuzufügen". Ein anderer sagt: "Nichts geschieht zufällig. Wenn ein dreijähriges Mädchen in einem Haus in Gaza getötet wird, dann deshalb, weil jemand in der Armee entschieden hat, dass es keine große Sache ist, sie zu töten - dass es ein Preis ist, der es wert ist, bezahlt zu werden, um [ein anderes] Ziel zu treffen."

Es muss nicht wiederholt werden, dass Angriffe auf Zivilisten und nicht-militärische Infrastrukturen nach den internationalen Menschenrechtsvorschriften illegal sind. Alle Regierungen und Akteure sind nach den Genfer Konventionen verpflichtet, Zivilisten zu schützen, insbesondere diejenigen, die in Konfliktgebieten lebensrettende Dienste leisten. Die Menschenrechtsvorschriften fakultativ oder kontextabhängig zu machen, sendet eine gefährliche Botschaft aus, gefährdet die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und untergräbt die Rechte von uns allen.

Auf unserem 31. Weltkongress, der vom 14. bis 18. Oktober 2023 in Genf stattfand, verurteilte die Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD) die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober, bei denen über tausend Menschen getötet wurden, und forderte die Freilassung aller Geiseln. Wir stellten ferner fest, dass die Reaktion Israels, die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens kollektiv für die Aktionen der Hamas zu bestrafen, nicht zu rechtfertigen ist, und forderten einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende der rechtswidrigen Blockade.

"Es ist katastrophal und wird immer schlimmer"

Im Januar hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, dass es plausibel ist, dass im Gazastreifen ein Völkermord stattfindet, und wies Israel an, Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch beklagen hochrangige westliche Beamte, dass es wenig bis gar keine Verbesserungen gegeben hat. Einem Bericht des Guardian zufolge "ist die Lage schlimm und wird immer schlimmer". Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung sagt: "Israel zerstört die zivile Infrastruktur, das Nahrungsmittelsystem und die humanitären Helfer und lässt dieses Ausmaß an Unterernährung und Hunger zu."

Die Aussagen unserer Kollegschaft in Gaza spiegeln diese Einschätzung wider. Im Dezember brachte die IÖD die Stimme von Ilias Al-Jalda, dem Vizepräsidenten der General Union of Health Workers in Gaza, zu einer Dringlichkeitssitzung der WHO, um sicherzustellen, dass die Beschäftigten im Gesundheitswesen in dieser Debatte auf höchster Ebene Gehör finden. Zu diesem Zeitpunkt konnte er den Gazastreifen nicht verlassen und war mit seiner Familie und seiner alternden Mutter in einer Kirche untergebracht, die bombardiert wurde. Er beschrieb den führenden Politikern der Welt, wie "der Gazastreifen zu einem Ort geworden ist, an dem die Menschenrechte routinemäßig verletzt werden".

Derzeit leiden 90 Prozent der Kinder und schwangeren Frauen in Gaza unter schwerem Nahrungsmittel- und Wassermangel. Gesundheitsexperten berichten, dass Kinder an Dehydrierung, Unterernährung und Krankheiten sterben und Hunderttausende weitere gefährdet sind. Dr. Salama Abu Zaiter berichtet uns: "Schon vor dem Krieg hat sich unsere Gewerkschaft für ein dringend benötigtes Krankenhaus in Rafah eingesetzt. Jetzt sind 1,5 Millionen Menschen hier, darunter viele Kinder mit schweren Verletzungen und Krankheiten, die wir einfach nicht behandeln können."

Dennoch haben 16 Länder, die das UNRWA, die wichtigste UN-Hilfsorganisation im Gazastreifen, finanziell unterstützen, ihre Zahlungen eingestellt, nachdem Israel behauptet hatte, dass 12 der 30.000 mitarbeitende Personal der Organisation Verbindungen zu dem Anschlag vom 7. Oktober hatten. Diese Personen wurden sofort entlassen, und obwohl Israel den Vereinten Nationen noch keine Beweise für die Behauptungen vorgelegt hat, laufen die Untersuchungen weiter.

Wie Ihnen viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bestätigen können, ist es eine gängige Taktik der reaktionären Rechten, den öffentlichen Dienst zu skandalisieren, wenn Personen, die dort arbeiten, ein Verbrechen begehen oder angeblich begangen haben. Diese Taktik wird von denjenigen, die die Bereitstellung lebenswichtiger öffentlicher Dienste untergraben und die Mittel kürzen wollen, immer wieder zu politischen Zwecken eingesetzt und manipuliert. Das ist in unseren eigenen Ländern nicht akzeptabel, und es ist in Gaza nicht akzeptabel.

Der Council of Global Unions hat klargestellt: "Die Menschen in Gaza und unsere Mitglieder sind auf die lebensrettende Unterstützung des UNRWA angewiesen." Das UNRWA koordiniert 98,5 Prozent aller UN-Hilfskräfte im Gazastreifen. Die Schließung des Hilfswerks wäre eine Katastrophe für die fünf Millionen Flüchtlinge, die es in Palästina, Libanon, Jordanien und Syrien unterstützt, und könnte eine regionale Krise auslösen. In Australien forderte das Konzil der australischen Gewerkschaften die Labour-Regierung auf, die Finanzierung des UNRWA dringend wieder aufzunehmen. Die EU hat die Beiträge für das UNRWA bereits wieder aufgenommen, und andere Länder müssen diesem Beispiel folgen.

In Kriegszeiten sind systemerhaltende Arbeitnehmer:innen und öffentliche Dienste oft alles, was zwischen Leben und Tod steht. Dieser Konflikt macht die humanitäre Katastrophe deutlich, die durch ihre Zerstörung verursacht wird. Unsere globale Gewerkschaftsbewegung wird die Tötung von Zivilisten, die Bombardierung lebenswichtiger Infrastrukturen oder die gezielte Tötung unserer Genossen niemals als gültige Methoden der Kriegsführung akzeptieren - nicht in Gaza und auch nicht anderswo.

Die Gewerkschaften können:

  • sich für ein Ende der Beschränkungen von Hilfslieferungen einzusetzen, um die Grundversorgung wiederherzustellen und die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung in Gaza zu befriedigen, damit die Menschenwürde und die Rechte wiederhergestellt werden:
  • die ungehinderte Einfuhr von Medikamenten, Impfstoffen und lebenswichtiger medizinischer Ausrüstung fordern, um die Krise im Gesundheitswesen zu bewältigen.
  • den Zugang zu medizinischer Versorgung in Zentren außerhalb des Gazastreifens und die Freizügigkeit für Patienten fordern, unter anderem durch die Öffnung des Grenzübergangs Rafah,
  • Druck auf eure Regierungen ausüben, damit die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen zur Linderung der humanitären Krise zu finanziert wird, einschließlich der Finanzierung des UNRWA.
  • die Regierung auffordern, einen sofortigen Waffenstillstand zu unterstützen.

Ihr könnt für den PSI Gaza-Solidaritätsfonds spenden, um humanitäre Hilfe und Unterstützung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu leisten.