Veröffentlicht: 24/11/2023

Jedes Jahr am 25. November begehen die IUL-Mitgliedsorganisationen gemeinsam den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und organisieren und koordinieren anschließend öffentliche Demonstrationen und Sensibilisierungsmaßnahmen während der 16 Tage des Aktivismus.

Geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung, die mit Machtmissbrauch und wirtschaftlicher Kontrolle verbunden sind, ergeben sich aus den ungleichen Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen. Während sich die Gewerkschaften dem Kampf gegen alle Formen von Diskriminierung verschrieben haben und viele Gewerkschaften die Gleichstellungspolitik zu einer Priorität gemacht haben, müssen wir anerkennen, dass geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt, ein Teil davon ist.

Das IAO-Übereinkommen 190 ist ein wirksames Instrument in diesem Kampf. Das von der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2019 angenommene Übereinkommen wurde bisher von 36 Ländern ratifiziert (12 in Europa, 9 in Afrika, 8 in Lateinamerika, 3 in der Karibik, 3 in Asien/Pazifik und 1 in Nordamerika). Wir müssen unsere Lobbyarbeit bei den Regierungen für die Ratifizierung beschleunigen und intensivieren; die Gewerkschaftsbewegung hat für C190 gekämpft, und wir müssen den Kampf fortsetzen, bis wir überall, wo es möglich ist, gewinnen.

  • Ü190 stellt Tarifverhandlungen in den Mittelpunkt der Prävention und Beseitigung von geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung sowie jeglicher Art von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt
  • Ü190 fordert ein umfassendes Verständnis der Ursachen von Gewalt gegen Frauen und fordert die Staaten auf, von den Arbeitgebern zu verlangen, bei der Ermittlung der Gefahren und der Risikobewertung mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten; bei den Risikobewertungen sollten die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsorganisation und das Personalmanagement berücksichtigt werden, einschließlich der Schlüsselfaktoren wie wirtschaftliche Anfälligkeit, kurzfristige Verträge, unrealistische Arbeitsziele
  • Ü190 besagt, dass die Staaten in Absprache mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften die Sektoren oder Berufe und Arbeitsregelungen ermitteln sollen, in denen die Arbeitnehmer:innen in stärkerem Maße Gewalt und Belästigung ausgesetzt sind; in der begleitenden Empfehlung (E206) wird anerkannt, dass die Arbeitnehmer:innen bei isolierter Arbeit (z. B. auf Plantagen), im Gastgewerbe und bei häuslicher Arbeit einem höheren Maß an Gewalt und Belästigung ausgesetzt sind.

Den Mitgliedsorganisationen wird empfohlen, das gemeinsame GUF-Toolkit zu Facilitator Guide Ü190 und E206 zu verwenden und anzupassen: Violence and Harassment in the World of Work – Facilitator Guide and Activity Workbook.

Wir sollten uns jetzt auf Ü190 und E206 stützen, weil ihre Umsetzung im täglichen Leben der Arbeitnehmer:innen wirklich etwas bewirken kann. Stellt euch zum Beispiel vor, eine Hotelangestellte hätte keine Angst mehr, zur Arbeit zu gehen, weil sie weiß, dass es eine ausgehandelte Null-Toleranz-Politik für sexuelle Belästigung gibt. In dieser Vereinbarung würde eindeutig festgelegt, dass es nicht zu ihren Aufgaben gehört, sexuelle Belästigungen durch Kunden, Manager oder andere Mitarbeiter zu tolerieren. Stellt euch vor, eine Arbeitnehmerin hätte das Gefühl, dass ihre Kollegen, ihr Vorgesetzter und ihre Gewerkschaft sie unterstützen würden, wenn sie Opfer von häuslicher Gewalt würde. Durch die Umsetzung dieser Normen ändert sich die Wahrnehmung der Arbeitnehmer in Bezug auf ihr Arbeitsumfeld grundlegend. Die Beschäftigten werden auch die Schlüsselrolle der Gewerkschaft bei der Beendigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt verstehen.
Patricia Alonso, Vorsitzende des IUL-Frauenausschusses